Außerdem gibt es noch die Romane von Aimée Moreau, ohne BDSM, aber mit genauso viel Gefühl:
Das Telefon klingelte und Abigail stöhnte genervt auf. Sie hatte noch so viel zu tun, ehe morgen der Flug nach Edinburgh ging. Natürlich war sie wieder mal später aus der Arbeit gekommen, weil sie kaum gewagt hatte, ihrem Kollegen zu widersprechen. Es war immer das gleiche Spiel: Sie wurde dazu gebracht, die Mülleimer auszuleeren, die Kaffeemaschine zu säubern, auszustellen und die Tassen zu spülen. Wie oft hatte sie sich schon vorgenommen, sich zu wehren, aber jedes Mal verließ sie der Mut. Sie war die jüngste Angestellte in einem kleinen Büro in London.
Seufzend meldete sie sich. „Davies.“ Innerlich betete sie, dass es nicht wieder ihr Chef war, der noch etwas von ihr wollte.
„Hey, Süße, du klingst, als ob du die Reise absagen möchtest.“
Eine leichte Panik klang in der Stimme ihrer besten Freundin Ava mit. „Nein, auf gar keinen Fall. Ich lasse mir doch nicht den Auftritt der Highland Werewolfs entgehen.“ Abby lachte auf. „Auf unseren Trip nach Schottland freue ich mich schon seit letztem Jahr.“
Jetzt atmete Ava erleichtert auf. „Ich hätte es dir nie verziehen, wenn du mich im Stich lässt. Ich brenne darauf, die Jungs endlich live zu sehen.“ Man hörte deutlich das Schmunzeln. „Bleibt es dabei, dass ich dich morgen um 5 Uhr abhole?“
„Ja, klar, was dachtest du denn? Glaubst du wirklich, dass ich kneife?“ Abby schmunzelte vergnügt. „Wir haben Tickets für die erste Reihe ergattert, näher werde ich Cameron MacDonald wohl nie kommen.“
„Wer weiß, vielleicht trefft ihr euch an einem der Getränkestände oder auf dem Weg zur Toilette.“ Ava brach in lautes Lachen aus, in das Abby einstimmte.
„Du Träumerin! Ich muss weitermachen, mein lieber Kollege Michael hat mal wieder dafür gesorgt, dass ich die Aufräumarbeiten übernehmen durfte.“ Sie seufzte leise.
„Du musst dich endlich wehren. Nur, weil du die jüngste in der Runde bist, kann es nicht sein, dass du jeden Tag länger machst. Besonders, da sie wissen, dass du am Wochenende verreisen möchtest.“ Schnaubend stieß Ava die Luft aus.
„Ich weiß, aber irgendwie verlässt mich der Mut, sobald ich vor meinen Kollegen stehe. Wenn ich es vermeiden will, zu meinen Eltern zurückzugehen, brauche ich den Job.“ In ihrer Stimme klang Resignation mit, die sie schnell von sich schob. „Egal, jetzt bin ich ja zu Hause und morgen geht es los. Sei bitte pünktlich.“
„Auf jeden Fall, bis morgen.“
Das Gespräch war beendet, trotzdem hielt Abby das Smartphone noch einen Moment in der Hand. Sie traute sich nicht wirklich, daran zu glauben, dass sie ihrem heimlichen Schwarm so nahekommen würde. Schon seit sie denken konnte, liebte sie die Musik der Highland Werewolfs, doch vor ein paar Jahren, hatte sie sich in den Dudelsackspieler Cameron MacDonald verliebt. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf, so langsam sollte sie erwachsen werden. Es war kindisch sich nach einem solchen Mann zu sehnen, wenn man so aussah wie sie.
Eilig legte sie das Telefon auf den Nachttisch, um ihre Sachen zusammenzupacken. Sie würden den Vormittag mit Sightseeing verbringen, sich dann im Hotel zurechtmachen, um anschließend das Konzert zu genießen. Die Queens Hall hatte bereits einige berühmte Künstler beherbergt, außerdem wusste Abby, dass es sich bei dem Gebäude früher mal um eine Kirche gehandelt hatte. Sie freute sich auf den Trip, zumal sie eher selten aus London herauskam.
Mit einem Seufzen drehte sie sich zu ihrem Kleiderschrank, denn die Auswahl ihrer Kleidung war schon seit ihrer Kindheit die größte Herausforderung für sie. Ihre Figur war eine mittlere Katastrophe, die sie möglichst versteckte, aber bei dem Konzert wollte sie auch nicht mit Schlabberpulli und weiten Hosen auftauchen.
Erneut zog sie ein Kleidungsstück aus dem Schrank, um es unschlüssig zurückzuhängen. Verdammt, weshalb hatte sie es wieder nicht geschafft, abzunehmen? So langsam musste sie sich mal zusammenreißen.
Zum Schluss entschied sie sich für Jeans mit Bootcut, einer locker fallenden Bluse, einem schwarzen Sweatshirt und einem Ersatzpullover. Leider wusste man Ende März nie, wie das Wetter wurde, sodass sie zur Sicherheit auch noch ein T-Shirt einpackte. Sollte es wirklich kalt werden, zog sie es als Unterhemd an.
Im Bad sammelte sie die benötigten Dinge ein, stopfte sie in ihren Rucksack, anschließend stellte sie ihn auf die Waage. Zufrieden, dass alles passte, machte sie sich für die Nacht zurecht, obwohl sie sicher war, dass sie kaum schlafen würde, dazu war sie zu aufgeregt.
Mit einem Lächeln legte sie sich in ihr Bett, schnappte sich ein Buch und vertiefte sich in die Geschichte. Abby liebte Liebesromane, weil sie sich auf diese Weise in einer Welt verlieren konnte, in der auch übergewichtige Frauen wie sie ihren Prinzen bekamen.
Ungeduldig trommelte Chrissi mit den Fingern auf die Tischplatte. Sie hatte einen Termin mit ihrem Manager, mit dem sie ernsthaft reden musste. Seit sie in seinem Bett gelandet war, bekam sie nur noch Auftritte auf Geburtstagen oder privaten Feiern, die nur mittelmäßig bezahlt wurden. Abgesehen davon, dass sie sich eine Karriere als Sängerin anders vorstellte, reichte die Gage hinten und vorne nicht.
Endlich öffnete sich die Tür und Gerold kam herein, eilig richtete er seine Kleidung, was ihr eine ganze Menge verriet, auch die Lippenstiftflecken an seinem Kragen sprachen eine deutliche Sprache.„Du hast mich tatsächlich wegen eines Quickies warten lassen?“ Christine bemühte sich kaum, ihren Unmut zu verbergen. Er sollte wissen, dass sie mächtig verärgert war, wobei es sich bei dem Ausdruck um eine Untertreibung handelte.„So schlecht gelaunt an einem so schönen Tag?“ Charmant lächelte er ihr zu, als er sich hinter seinem Schreibtisch niederließ. „Du scheinst mit dem falschen Fuß aufgestanden zu sein.“
Innerlich zählte sie bis zehn, um sich ein wenig zu beruhigen, es brachte einfach nichts, ihn anzugehen,dadurch bekam sie kein besseres Engagement. „Wir müssen ernsthaft reden, Gerold. Es kann so nicht weitergehen. Du hast mir versprochen, wenn ich dich als Manager annehme, bringst du mich groß raus.“ Sie holte tief Luft, weil sie sich erneut in Rage redete. „Bisher hatte ich genau einen Auftritt am Deutschen Eck als supportig act.“ Auffordernd blickte sie ihn an, jetzt sollte er die Hosen runterlassen oder den verdammten Vertrag aufheben. Nachdenklich blätterte er in seinen Unterlagen, ehe er sie fast schon mitleidig musterte. „Du bist nicht das, was ich erwartet habe, Chrissi. Es tut mir leid, aber ich erhalte nur Absagen, sobald ich deinen Namen ins Spiel bringe.“ Er runzelte die Stirn. „Ist irgendwas auf dem Konzert in Koblenz schiefgelaufen?“
Sofort schüttelte sie den Kopf, sodass ihre blonden Locken flogen. „Ganz im Gegenteil, die Leute waren begeistert. Ich hab dir die Fotos gezeigt, außerdem bekomme ich immer noch Fanpost.“ Sie riss sich zusammen, um ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. „Viele fragen, wann ich wieder auftrete.“
„Das ist seltsam, wie gesagt, ich tue, was in meiner Macht steht, allerdings sind deine Coversongsziemlich abgenutzt. Vielleicht kannst du deine Stilrichtung ändern? Etwas mehr, sagen wir, Erotik?“
Spöttisch stieß sie die Luft aus. „Tut mir leid, ich bin Sängerin und verkaufe meinen Körper nicht.“ Im Stillen fragte sie sich, wie lange noch. „Pass auf, ich brauche eine Chance, außerdem müssen meine Auftritte besser bezahlt werden.“ In der Tat lebte sie seit einiger Zeit lediglich von Nudeln und Toast.
Seufzend strich Gerold sich über die Lider. „Vielleicht kannst du einen Job im Einzelhandel oder als Kellnerin bekommen.“ Er machte eine Kunstpause. „Allerdings wäre dann die Vertragsstrafe von 10.000Euro fällig.“ Bei der Aussage blitzte die Gier in seinen Augen auf. „Wir könnten aber bestimmt einen Weg finden.“ In seinem Blick stand deutlich, was er im Sinn hatte.
500 nach Christus
„Werwölfe! Schützt die Hüterinnen“, schrie Aodhagán, gleichzeitig deutete er auf die großen Steine, an denen siebzehn Kriegerinnen standen, die einen Zauberspruch murmelten. Sofort rannten die Wölfe auf den Steinkreis zu, formierten sich, sodass die Frauen geschützt werden konnten. Aodhagán fasste seinen Speer fester, er hatte geschworen, dass er diese Amazonen mit seinem Leben beschützen würde, zumal sie gerade alles taten, um das gesamte Volk mit ihrer Magie zu retten.
Aus den Augenwinkeln bemerkte er ein Blitzen auf der rechten Seite des magischen Kreises und kurz darauf erschienen Elbenkrieger, in deren Mitte sich Saoirse, die Elbenkönigin, befand. Auf den Augenblick hatte er irgendwie gewartet, dabei befürchtete er ihr Erscheinen.„Aileen, nicht.“ Die Anführerin der Hüterinnen versuchte eine der Frauen zurückzuhalten, die auf die Elben zulief.„Ich bin ihre Beschützerin, ihr habe ich die Treue geschworen“, schrie die Kriegerin zurück, schüttelte die andere ab, ehe sie sich vor die Königin kniete.
„So? Ist das wirklich die Wahrheit? Oder ist es nicht vielmehr so, dass sie dich erpresst hat?“ Eine männliche dunkle Stimme ließ Aodhagán herumfahren. Ein großer, muskulöser Mann trat auf die Elben zu, die jetzt nur wenige Meter vor dem Steinkreis Aufstellung bezogen.
„Bitte, Dragomir, du kennst die Prophezeiung. Lass nicht zu, dass wegen unserer Liebe ein ganzes Volk vernichtet wird.“ Aileen blickte bittend von ihm zur Königin, doch diese verzog nur geringschätzig das Gesicht.„Was scheren mich die Menschen?“ Sie sah auf die Frau, die vor ihr im Staub kniete herunter. „Du solltest dich langsam entscheiden, Aileen. Deine Schonfrist ist vorbei. Wirst du dem Drachen entsagen? Gibst du dich mir völlig hin?“ Entsetzt rang die Kriegerin die Hände, kam geschmeidig auf die Füße,bevor sie ernst den Kopf schüttelte.
Kane trommelte nervös mit den Fingerspitzen auf der Schreibtischplatte herum, bis sein Bruder Kiran genervt die Luft ausstieß. „Du machst mich wahnsinnig mit dem Gezappel.“
Mit einem Schulterzucken tat Kane den Vorwurf ab. „Du weißt, dass ich es kaum unterdrücken kann. Die Unruhe wird von Tag zu Tag schlimmer.“ Erschloss kurz die Augen, um sich zu fokussieren, trotzdem fiel es ihm enorm schwer, ruhig sitzen zu bleiben. „Wird Zeit, dass deine Holde langsam auftaucht. Du bist wirklich unerträglich in den letzten Wochen, großer Bruder.“ Keela sah hinter ihrem Monitor hervor, während auch Kijartan zustimmend nickte.
Die vier Geschwister betrieben offiziell eine Detektei in Killarney, inoffiziell arbeiteten sie für die magische Regierung, indem sie paranormale Wesen einfingen, die sich nicht an die Regeln hielten. Allerdings gab man ihnen nur minderschwere Fälle, wie leichte Verstöße gegen die Geheimhaltung oder interne Streitigkeiten. Um die wirklich schweren Verbrechen kümmerten sich Soldaten, die dafür speziell ausgebildet waren und die innerhalb der magischen Gemeinschaft Wächter genannt wurden. Die Übernatürlichen lebten unerkannt unter den Menschen, nur einige wenige hatten sie eingeweiht, da sie hilfreiche Verbündete darstellten,sodass es genug Arbeit für alle gab. Kanes kleines Familienunternehmen existierte erst seit ein paar Jahren.
Die Söldner unter der Leitung von Steward McFlann kamen auf sie zu, weil ihnen die Aufträge über den Kopf wuchsen. Die Wächter wurden auf ihn aufmerksam, da er mit seinem Unternehmen bereits erfolgreich die Verbrecher der Menschenwelt aufspürte. „Vielleicht solltest du dich mal verwandeln und in den Wäldern auspowern“, schlug Kijartan vor, womit er ihn aus seinen Gedanken holte.
„Es nervt tatsächlich.“ Mit gerunzelter Stirn deutete er auf die Finger seines Bruders, die schon wieder auf der Tischplatte trommelten.
„Besser wäre es, wenn du durch die Pubs ziehst, damit du deine Gefährtin endlich findest, aber dazu hast du ja keine Lust“, warf Keela schnippisch ein.
„Ich glaube kaum, dass ich ausgerechnet ein Partygirl bekomme. So eine Dame passt nun wirklich nicht zu mir.“ Kane zwang sich, ruhig zu antworten, obwohl er am liebsten gefaucht hätte.
Trish lugte vorsichtig hinter dem großen Van hervor, um zu sehen die Luft rein war. Sie musste unbedingt ungesehen in das wunderschöne Hauskommen, vor dessen Haustür sie saß. Zu dumm, dass sie als Hermelin mit ihrem weißen Fell am Bauch überall auffiel, doch in ihrer menschlichen Gestalt war ihr Vorhaben schlichtweg unmöglich, zumal sie wusste, dass hier Ethelbert, der Elbe wohnte. Er war einer der Richter des Magischen Rates. Sollte sie erwischt werden, würde sie bestimmt einige Jahrzehnte in der Dämonendimension verbringen müssen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie über den Schotter des Hofes rannte, um an der Vorderseite vorbeizuflitzen.
Sie hatte auf der gegenüberliegenden Seite gewartet, bis der Mann in seinem Sportwagen weggefahren war, sodass sie ihre Chance wahrnehmen konnte. Jetzt musste sie nur einen Weg ins Innere finden. Dort wollte sie sich zurückverwandeln, um nach Beweisen zu suchen.
Flink kletterte sie an der Hausrückseite hoch, nutzte Vorsprünge genauso wie Fensterbänke, bis sie zu einem Fenster kam, das einen Spaltbreit geöffnet war. Zum Glück war es heute sonnig, daher kam niemand auf die Idee, die Fenster zu verschließen, immerhin war es bereits Ende Oktober.
Mühsam zwängte sie sich durch den Schlitz, dabei ächzte sie leise. Obwohl sie nicht fett war, hatte sie doch in den letzten Monaten einige Kilos zugenommen. Verdammtes Fastfood. Aber was für eine Alternative hatte sie denn, wenn sie sich ständig auf der Flucht befand. Kurz schnappte sie nach Luft, ehe sie sich vorsichtig in dem Raum umsah. Zum Glück war sie im Arbeitszimmer gelandet, sodass sie jetzt die Verwandlung einleiten konnte. Das war das größte Risiko, nur war sie kaum in der Lage, die Schränke zu durchsuchen, solange sie in der Gestalt des Hermelins blieb.
Es flackerte blau, gleichzeitig ertönte ein leises Summen, während sich ihr Körper verformte. Ihre Schnauze bildete sich zurück, die Krallen zogen sich nach innen, zeitgleich formten sich ihr Gesicht und die Finger. Die gesamte Prozedur dauerte nur ein paar Momente, sodass sie sich jetzt eilig aufrichtete. Trish lief lautlos zur Tür, öffnete sie einen Spaltbreit, anschließend hielt sieden Atem an, weil sie nicht sicher sein konnte, ob jemand sie gehört hatte.
Jeremy wuchtete die letzte Umzugskiste aus dem LKW, ehe er die hintere Ladeklappe zuschlug. Einen Moment atmete er durch, bevor er die Kiste in das hübsche kleine Cottage trug, das von jetzt an sein Zuhause sein würde. Im Wohnzimmer saß sein bester Kumpel Alex, der ihn stirnrunzelnd ansah.„Ich hätte nie gedacht, dass du es tatsächlich durchziehst. Du läufst vor einer Frau davon!“ Missmutig sah er ihn an.
Jeremy zuckte nur mit den Schultern, sie hatten diese Diskussion bereits etliche Male geführt. „Es ist nicht nur wegen Ellen, das habe ich dir schon so oft erklärt. Ich brauche einfach neue Herausforderungen und in Athlone gab es für mich keine Aufstiegsmöglichkeiten.“ Er seufzte leicht, da er genau wusste, dass es sich um eine billige Ausrede handelte. In Wirklichkeit war er nach Portumna gezogen, weil er seiner Ex-Freundin nicht ständig über den Weg laufen wollte. Sicher war das kindisch, feige und auch kurzsichtig, trotzdem ertrug er es nur schlecht, jeden Tag an ihren Verrat erinnert zu werden. Er hatte sie im Bett mit ihrem Chef erwischt, was für ein Klischee.„Du kannst es dir gerne einreden, aber ich glaube dir kein Wort.“ Alex deutete auf die Kisten. „Soll ich dir beim Auspacken helfen?“ „Nein, danke, damit komme ich schon klar. Sind ja nur meine persönlichen Sachen.“ Er klopfte seinem Kumpel auf die Schulter. „Ich bin ja nicht aus der Welt.“ „Gut, dann mache ich mich auf den Rückweg. Solltest du Hilfe brauchen,ruf mich an.“ Die Freunde umarmten sich, anschließend verließ Alex das Häuschen, um mit dem LKW zurückzufahren.
Jeremy sah sich in dem Chaos um, ehe er tief Luft holte, um zumindest die wichtigsten Kartons auszupacken. Er hatte das Cottage möbliert gemietet,sodass er seine Zelte jederzeit abbrechen konnte. Allerdings hatten sich im Laufe der Zeit eine ganze Menge Dinge angesammelt, die er nicht wegwerfen wollte. Angefangen von seinen Büchern über die persönlichen Sachen, kleine Andenken und natürlich seine Bogen. Er liebte Bogenschießen, daher besaß er eine ansehnliche Sammlung. Dazu kamen die verschiedenen Pfeile, Zielscheiben, Pfeilfangvorhang sowie weiteres Zubehör. Hinter seinem Cottage gab es genug Platz, wo er seinem Hobby frönen konnte.
Brianna strich ihrer Stute zärtlich über die Stirn. „Danke für den morgendlichen Ritt.“
„Gern geschehen, es ist mir immer wieder eine Freude.“ Maeve stupste sie mit dem Maul an. „Irgendwas hast du. Gibt es ein Problem?“ Langsam schüttelte Bri den Kopf, nur um gleich danach zu nicken. „Ja, ich bekomme seit einiger Zeit die Aufforderung, meine Farm zu verkaufen“, gab sie zögernd zu. „Zuerst waren es nur Angebote, aber mittlerweile hört es sich fast wie eine Drohung an. Ein großes Unternehmen braucht dieses Land, um eine stinkende Fabrik zu bauen. Nur Ira und ich sind bisher nicht eingeknickt.“ Maeve schnaubte. „Du tust das Richtige, daran glaube ich fest.“ Noch einmal stieß sie ihre weiche Nase gegen den Ärmel ihrer Besitzerin. Nachdenklich holte Brianna eine Möhre aus ihrer Jackentasche, die sie ihr reichte, anschließend öffnete sie das Gatter, damit die Stute zu den anderen auf die Weide konnte. „Bis später.“ Ein leises Wiehern erklang als Antwort und sie machte sich auf den Weg ins Haus.
Wie jeden Morgen war sie zuerst die Zäune abgeritten, um sicherzustellen,dass es keine Lücken gab. Einen Ausbruch ihrer Pferdeherde brauchte sie so überhaupt nicht. Natürlich bedeutete es für sie einen riesigen Vorteil,dass in ihren Adern Feenblut floss, was ihr ermöglichte, mit Tieren zusprechen. Dennoch verzichtete sie gerne darauf, die Herde einfangen zu müssen, weil sie sich erschreckt hatten und eine defekte Stelle nutzten oder sich am Ende aufgrund eines zerbrochenen Pfostens verletzten. Außerdem genoss sie es, den Tag auf die Weise zu beginnen. Durch ihre Fähigkeit benötigte sie weder Zaumzeug noch Sattel.
Sie streifte die leichte Jacke ab, die sie in den frühen Morgenstunden trug,obwohl es bereits Juni war, doch die Wärme ließ in diesem Jahr ein wenig auf sich warten. Ihr Blick fiel auf den kleinen Stapel Briefe, der neben der Haustür auf dem Boden lag. So wie es aussah, war der Briefträger schon dagewesen. Mit einem Seufzen hob sie die Post auf, um festzustellen, dass wieder ein Schreiben der Firma dabei war, die unbedingt ihr Land kaufen wollte. Selbst wenn sie es in Betracht ziehen würde, fühlte sie sich an ihr Versprechen ihrer Großmutter gegenüber gebunden.
Lara bog fluchend in eine Seitenstraße ein. Irgendwo hier musste doch eine freie Lücke sein, verdammt! Ihr Termin war in gut zwanzig Minuten und sie hatte keine Ahnung, wie lange es dauerte, bis sie den richtigen Saal im Gerichtsgebäude fand. Genauso wenig hatte sie erwartet, dass morgens um neun Uhr bereits alle Parkplätze belegt waren. Kein Wunder, bisher kannte sie Gerichte nur von außen. Endlich sah sie eine Parklücke, manövrierte ihren kleinen Fox hinein, anschließend atmete sie kurz durch. Ja, sie fühlte sich nervös, denn gleich stand sie ihrer ehemals besten Freundin und ihrem zukünftigen Ex-Mann gegenüber.
Andrea hatte ihr sogar noch eine SMS geschickt, dass sie sich freuen würde, sie zusehen! Das musste man sich mal vorstellen, immerhin ging es um ihre Scheidung. Lara stieg aus und lief eilig zum Gerichtsgebäude hinüber, brachte den Sicherheitscheck hinter sich, anschließend machte sie sich auf die Suche nach dem richtigen Sitzungssaal, dort wollte sie sich mit ihrem Rechtsanwalt treffen.
Eigentlich war es nur eine Formsache, der Punkt am Ende eben. Sie hatte Mike seit einem guten Jahr nicht mehr gesehen, Kinder gab es nicht, sodass sie sich gepflegt aus dem Weg gehen konnten. Trotzdem tat es weh, daran zu denken, dass dieser Abschnitt ihres Lebens jetzt vorbei war. Natürlich spielte es auch eine Rolle, dass ausgerechnet ihre Freundin Andrea sie ersetzt hatte.„Hallo, Herr Steubner, entschuldigen Sie bitte, ich habe ewig nach einem Parkplatz gesucht.“ Lara streckte ihrem Rechtsanwalt die Hand entgegen, der sie mit einem Lächeln drückte.„Gar kein Problem, Frau Roth, die Verhandlung fängt ja erst in fünf Minuten an. Es ist alles geklärt, somit sollten wir schnell durch sein.“ In dem Augenblick kamen auch Mike und Andrea den Gang herunter, woraufhin sie sich versteifte. Es war ein richtiger Schock, die beiden zu sehen, zumal er locker einen Arm um seine Freundin gelegt hatte.„Schön, dich endlich mal wiederzusehen, meine Süße.“ Andrea ging auf sie zu, als ob sie sie umarmen wollte, sodass Lara eilig zur Seite auswich.
„Das Vergnügen ist ziemlich einseitig.“ Ihre Stimme klang eisig.„Lassen Sie uns besser in den Verhandlungssaal gehen.“ Herr Steubner rettete sie mit einem gutmütigen Lächeln. „Die Dame scheint mehr als unsensibel zu sein“,flüsterte er ihr zu, als sie sich auf ihre Plätze setzten.
Natürlich hatte sie ihm die gesamte Geschichte erzählt, angefangen von ihren Eheproblemen bis hin zu dem endgültigen Ende, als Mike ihr mitgeteilt hatte, dass er zukünftig mit ihrer besten Freundin zusammen sein wollte.
Bedrückt räumte Fergus die Kartons mit den Lebensmitteln in den Kofferraum des Geländewagens. Würde er jemals seinen Frieden finden? Normalerweise kam er das Jahr über sehr gut klar, zeigte sein fröhliches Gesicht, während er seine inneren Dämonen in Schach hielt, doch je weiter der Dezemberfortschritt, desto schlimmer plagten ihn seine Schuldgefühle. Er schloss kurz die Augen, weil ihn die Erinnerung überwältigte. Sofort sah er Ellas verschmitztes Lächeln, fühlte die Lebensfreude, die sie ausgestrahlt hatte, sodass es ihm einen heftigen Stich ins Herz gab. Er war schuld daran, dass sie nicht mehr lebte! Eilig belud er seinen Wagen, es wurde Zeit, dass er hier wegkam, bevor irgendeiner ihn aufhalten wollte.
Seine besten Freunde Graham, Davie und Finley wussten, dass es für ihn besser war, wenn er sich in den nächsten drei Wochen in seiner Kate in den Bergen vergrub, doch die Frauen in der Clique sahen das anders. Allen voran Lara, die erst im Herbst zu ihnen gestoßen war. Sie nutzte jeden Trick, damit er Weihnachten und Silvester mit ihnen feierte. Fergus überprüfte noch einmal, ob er auch genug Vorräte eingepackt hatte, anschließend setzte er sich hinter das Steuer. Auf gar keinen Fall wollte er seinen Freunden den Spaß verderben, weil er mit seiner Vergangenheit nicht klarkam!
Während er den Wagen aus Dufftown, seiner Heimatstadt, heraus lenkte, überfielen ihn erneut die Erinnerungen. Ella war völlig aus dem Häuschen gewesen, da ihre Stute im Begriff war, ein Fohlen zur Welt zu bringen. Ungeduldig hatte sie ihn von der Couch gezogen, damit er sie schnellstmöglich zum Stall fuhr. Das Wetter hatte sich an dem Tag besonders tückisch gezeigt, eisige Kälte kombinierte sich mit Sturm und einem leichten Sprühregen. Fergus bremste automatisch ab, als er an den Abend dachte. Selbstverständlich hatte er alles versucht, um ihr den Trip auszureden, doch am Ende gab er nach.
Tränen brannten in seinen Augen. Wieso war er nur so schwach gewesen? Er hätte die gesamte Katastrophe verhindern können. Ein einfaches Nein und sie würde heute noch leben. Wie in Trance lenkte er seinen Wagen über die Straße, dabei war ihm bewusst, dass er an der Unfallstelle vorbeikam. Er hatte Jahre gebraucht, bis er die Stelle passieren konnte, ohne andere zu gefährden. Immer wieder war er enorme Umwege gefahren, nur um diesen einen Punkt zu vermeiden. Mittlerweile schaffte er es, konzentriert zu bleiben, nicht aufs Gas zu treten, sondern gesittet weiterzufahren, sobald die Kurve in Sicht kam, in der er die Kontrolle über sein Auto verloren hatte.
Doch heute spürte er deutlich, wie er zitterte, Schweiß brach ihm aus. Nur noch einen halben Kilometer und er kam genau an den Platz, an dem ihm ein anderer Fahrer auf seiner Seite entgegengekommen war. Fergus zwang sich, langsamer zu werden, auf gar keinen Fall würde er seiner Panik nachgeben,obwohl die Szene von damals sich wie eine Endlosschleife in seinem Kopf abspulte. Er hörte Ellas aufgeregtes Geplapper, sie sprach von ihrer Stute, sprudelte über vor Glück. Sie plante,irgendwann ein eigenes Gestüt aufzumachen. Auch er hatte gelächelt, ihr zugestimmt und ihr seine Unterstützung zugesichert, bis auf einmal dieses andere Auto angerast kam.
Mit einem Lächeln fuhr Gwen ihren PC herunter, räumte noch ein paar Unterlagen zurück in die Schreibtischschublade, ehe sie ihren Kollegen einen schönen Feierabend wünschte. Sie arbeitete jetzt seit etlichen Jahren in der Verwaltung von Glenfiddich und sie liebte ihren Job. Die Bezahlung war fair, außerdem hatte sie mittlerweile ihre Freiheiten, ganz abgesehen von Gleitzeit, die ihr gerade im Sommer gut in den Kram passte. Gwen streifte ihre Jacke über, schnappte sich ihre Handtasche, anschließend lief sie über den Hof zum Shop, dort arbeitete ihre Freundin Kelly.
Die Anlage war sehr gepflegt, dafür sorgte eine Armee von Gärtnern,allerdings hatten sie ja auch einen Namen, der weltweit bekannt war. Darüber hinaus kamen jährlich tausende Besucher, um sich die Destille anzusehen. „Hey, soll ich dich mitnehmen?“ Gwen blieb in der Tür zum Geschäft stehen, wo Kelly gerade ihre Sachen zusammensuchte. „Nein, danke. Roger kommt gleich. Er hat heute ausnahmsweise mal früher frei.“ Kelly lächelte versonnen. „Er ist wirklich der Beste, den ich finden konnte.“
Gwen umarmte die Freundin kurz, bevor sie den kleinen Raum verließen. „Ich freue mich mit dir.“ Obwohl sie ihr alles Glück der Welt gönnte, schlich sich ein melancholischer Unterton ein. „Du triffst auch noch den Richtigen. Glaub mir.“ Kelly stieß sie leicht mit der Schulter an, anschließend machten sie sich auf den Weg zum Parkplatz. „Hey, ihr beiden. Denkt ihr an unser Treffen morgen?“ Daisy lehnte an ihrem Wagen und sah die Frauen aufmerksam an. „Na klar, was denn sonst? Immerhin ist es schon eine Weile her, seit wir uns zu einem Mädelsabend getroffen haben.“ Kelly lachte leise. „Dieses Mal ist es wenigstens keine Krisensitzung.“
In der Tat hatten sie sich das letzte Mal im Dezember zusammengesetzt, um zu überlegen, wie sie Fergus zur Besinnung bringen könnten. Seitdem war immer irgendetwas dazwischen gekommen, daher freuten sie sich auf ihren gemeinsamen Abend sehr. „Kommt Bonnie auch? Oder hat sie mal wieder Dienst?“ Gwen sah von einer Freundin zur anderen.
Seufzend setzte Clara sich an den Frühstückstisch, wobei sie sofort sah,dass weder Lachs noch Eier übrig waren.„Ich habe schon mal angefangen. Du brauchst ja doch eine kleine Ewigkeit im Bad“, bemerkte ihre Begleitung Sabine, die offensichtlich bereits satt war.
Seit drei Tagen befanden sie sich auf ihrem Trip durch Irland, für den Clara mühsam das Geld zusammensparen musste und genauso lange ärgerte sie sich über die angebliche Freundin.
Sie hatten die Reise genau geplant, ihre jeweiligen Wünsche in der Route berücksichtigt und auf einmal warf Sabine munter alles über den Haufen. Bereits am ersten Tag mietete sie, statt des billigeren Fiestas, einen Golf. Auf die Anmerkung Claras, dass sie auf ihre Finanzen achten müsse, zuckte sie nur lächelnd mit den Schultern.
Anschließend waren sie nach Dublin gefahren, wo sie in einem kleinen Hotel eincheckten, in dem sie jetzt auch ihr Frühstück einnahm, oder vielmehr das, was übrig geblieben war.„Der Lachs schmeckt einfach zu lecker. Zum Glück magst du ja keinen Fisch, so bleibt mehr für mich.“ Sabine lachte sie strahlend an, dabei übersah sie die Gewitterfront, die sich langsam auf dem Gesicht der Freundin abzeichnete.„Ich liebe Räucherlachs mit Rührei. Das habe ich dir schon ein paar Mal gesagt. Marmeladenbrötchen sind nicht so mein Leibgericht.“ Wütend deutete Clara auf die Reste, die noch auf dem kleinen Tisch standen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich mit der Marmelade zufriedenzugeben.
„Oh!“ Das war alles, was Sabine dazu zu sagen hatte.„Wir brechen gleich nach Athlone auf. Ich freue mich schon, den Shannonmal zu sehen. Die Stadt anzusehen, schaffen wir locker in ein paar Stunden,sodass wir heute Abend noch Dingle erreichen können. So verpassen wir die Delfinfahrt auf keinen Fall.“ Jetzt hätte Clara sich beinah an ihrem Brötchen verschluckt. „Wieso fahren wir nach Athlone? Wir wollten in Kilbeggan übernachten. Dort gibt es ein wunderschönes Bed-and-Breakfast, wo wir bereits ein Zimmer reserviert haben. Dazu kommt die Besichtigung der Brennerei.“
Flann stand am Fenster eines Ferienhauses in der verlassenen Anlage bei Terryglass. Er wusste, dass er in wenigen Momenten in das ehemalige Haupthaus geholt werden würde, um zu töten. Um an den zukünftigen Tatort zu kommen, musste er über einen geschotterten Parkplatz laufen, anschließend folgte die große Eingangshalle, in der früher fröhliche Touristen eingecheckt hatten, ehe ein dunkler Flur direkt in die Diskothek führte. Hier fanden schon lange keine Partys mit zu viel Alkohol und lauter Musik mehr statt, stattdessen nutzte der neue Besitzer diesen Raum für Käfigkämpfe.
Ein Klopfen an der Haustür riss Flann aus seinen Gedanken. Ohne eine Miene zu verziehen, drehte er sich um und ging zur Tür. Er wusste genau, dass das gesamte Häuschen mit Videokameras überwacht wurde. Einen Umstand, den er ganz besonders hasste, weil er nach dem Töten, sofern er überlebte, eine andere Show abliefern musste.„Du bist in zehn Minuten dran, Tiger.“ Ein kleiner Mann mit einem schmierigen Grinsen stand vor ihm, doch Flann nickte nur kurz.
Zu gerne hätte er dem Speichellecker des Verbrechers, der diese illegalen Kämpfe abhielt, eins auf die Nase gegeben, aber der machte sich ja in die Hose, wenn Flann auch nur knurrte. Die Sauerei, sollte er ihn wirklich anpacken, wollte er auf keinen Fall wegmachen müssen. Außerdem war der Zwerg es einfach nicht wert. Gemeinsam gingen sie über den Schotterplatz, auf dem ungefähr zwanzig Autos standen. Die privilegierten Zuschauer nahmen also bereits ihre Plätze am Käfig ein.
Jeder von ihnen hatte eine Verschwiegenheitsklausel unterschrieben und darüber hinaus eine horrende Summe bezahlt. Sie erwarteten etwas Besonderes, was sie auch bekommen würden. „Na? Freust du dich darauf, endlich wieder töten zu können? Der letzte Kampf ist ja schon ein paar Monate her.“ Die Stimme des Gnoms, der neben ihm lief, hatte einen gemeinen, gehässigen Klang.
„Was hältst du davon, wenn wir am Samstag zusammen zu der Party ins Orange gehen?“Jasmin ließ die Frage beiläufig klingen, während sie ihre Freundin Paula über den Rand ihres Latte-macchiato-Glases ansah. Paula lächelte mühsam.„Ich denke nicht, dass das eine gute Idee wäre“, murmelte sie.
Die beiden Freundinnen saßen in ihrem Lieblingscafé, dem Kaffeehaus Maldaner, in Wiesbaden. Einmal in der Woche gönnten sie sich dort eine kleine Auszeit, genossen den herrlichen Kuchen und tauschten sich aus. Leise seufzend stellte Jasmin ihr Glas ab.„Ich mache mir Sorgen um dich, Paula. Markus ist jetzt seit über sieben Jahren tot. Willst du wirklich für den Rest deines Lebens alleine bleiben?“
Über die Frage musste Paula nicht lange nachdenken.„Nein, von Wollen kann keine Rede sein. Aber ich schaffe es nicht, auf eine Playparty zu gehen. Markus war mein Herr. Schon der Gedanke, dass jemand anderes mich beherrscht, kommt mir wie ein Fehler vor. Außerdem sind auf den Partys überwiegend Paare, wie du weißt.“ Zerknirscht nickte Jasmin, denn auch sie würde mit ihrem Lebensgefährten hingehen. „Und wie wäre es, wenn du dir einen netten normalen Mann suchst? Es muss ja kein Dom sein.“
Jetzt lachte Paula leise auf.„Du glaubst immer noch, dass man seine Neigung einfach so abstreifen kann?“ Sie schüttelte energisch den Kopf. „Nein, das fühlt sich für mich genauso falsch an.“ Sie aß ein Stück ihrer Mokkatorte, während sie darüber nachdachte. „Weißt du, im Moment habe ich das Gefühl, nirgendwo dazuzugehören. Es ist ja nicht so, dass ich mein Leben aufgebe, weil mein Partner verstorben ist. Aber ich ...“ Sie brach ab, woraufhin Jasmin sie fragend ansah.„Was ist los mit dir?“ Mit einem Seufzen zuckte Paula mit den Schultern.
Mit einem zufriedenen Lächeln stand Aislinn am Fenster, die Sonne war vor gut zwei Stunden aufgegangen und sie hatte bereits einige ihrer Aufgaben erledigt. Der selbstgemachte Eierlikör war in kleine Fläschchen abgefüllt, die Töpfchen mit Krokussen, Scharbockskraut und Narzissen hatte sie auch schon fertig bepflanzt.
Ein wenig musste sie schmunzeln, weil ihre Freundinnen ihre Blütenpracht so bewunderten. Ihr Geheimnis bestand darin, dass sie mit Magie nachhalf. Nur durfte das natürlich niemand wissen. Selbst hier in Irland waren die Menschen Hexen gegenüber sehr skeptisch. Sie würde die kleinen Geschenke gleich verteilen, denn Ostara stand vor der Tür, außerdem machte es ihr Spaß, ihren Mitmenschen eine Freude zu machen.
Noch einmal sah sie aus dem Küchenfenster direkt auf den Atlantik. Aislinn liebte den Anblick, besonders an einem sonnigen Tag wie diesem. Fantastisch gelaunt stellte sie das Teeglas auf die Spüle, nahm den ersten Geschenkkorb und ging zur vorderen Haustür.„Guten Morgen, Hedda, was für ein Glück, ich wollte gerade los“, rief sie der Briefträgerin zu, die aus dem Auto stieg.
Dahinter erkannte sie erstaunt den Wagen ihres Ex-Mannes Michael, was sie ein wenig verwunderte. Schnell schob sie die aufkommenden Überlegungen zur Seite, er würde ihr sicherlich gleich sagen, warum er sie besuchte. Immerhin waren sie nach der Scheidung Freunde geblieben.„Ich wünsche dir auch einen schönen Tag. Hier, deine Post.“ Die Postbotin drückte ihr einen Packen Briefe in die Hand.
Für einen Moment sah es so aus, als ob Michael sie ihr abnehmen wollte,aber vielleicht hatte sie sich geirrt?„Warte, Hedda, der ist für dich. Du kommst doch am 20. zum Essen, oder?“ „Wie könnte ich dein unglaubliches Ostara-Fest versäumen? Natürlich bin ich dabei. Allein deine Neunkräutersuppe ist ein guter Grund. Danke für den Korb, ich freue mich schon aufs Auspacken.“ Lächelnd nahm Hedda das Geschenk entgegen, winkte Aislinn noch einmal zu, ehe sie endgültig verschwand.
Langsam schlenderte Belana durch die Straßen der Stadt. Sie liebte Athlone, wo sie geboren worden war, doch in der letzten Zeit war sie ungewöhnlich nervös. Sie fühlte sich, als ob sie unter Strom stehen würde,nur gab es keinen offensichtlichen Grund. Einen Moment ließ sie die Wochen Revue passieren. Es hatte sich nichts geändert, sie war eine Obdachlose, übernachtete in einem alten,abbruchreifen Haus östlich vom Shannon, dabei genoss sie ihre Freiheit.
Bei dem Gedanken lachte sie spöttisch auf. Freiheit bedeutete in ihrem Fall: Einsamkeit, Misstrauen und ein andauernder Kampf ums Überleben. Ehrlich gab sie zu, dass sie keine großen Probleme hatte, Nahrung zu finden, weil sie sich in eine Katze verwandeln konnte. Mäuse gab es wirklich im Überfluss, trotzdem war sie ständig auf der Hut.
Sie kam an der St. Peter und Paul Kathedrale vorbei, die direkt gegenüber dem Athlone Castle lag. Hier hatte sie im letzten Sommer einen Job in der Touristeninformation bekommen, aber je länger sie dort arbeitete, desto neugieriger wurden die Kollegen. Immer öfter konfrontierte man sie mit Fragen, die sie niemals beantworten durfte, außerdem musste sie extrem aufpassen, mit wem sie sich anfreundete.
Lana wollte nicht mal daran denken, was passieren würde, sollte ein Mensch hinter ihr Geheimnis kommen. Also blieb ihr kaum etwas anderes übrig, als den Job hinzuschmeißen, was hieß, zurück auf die Straße zugehen. So oder so ähnlich lief es ständig ab, sodass sie das Gefühl bekam,nicht in die normale Gesellschaft zu passen. Was hatte sie erwartet? Einen barmherzigen Samariter, der ihr half?
Jemand, der ihr die Hand reichte? Bitter scheuchte sie die trüben Gedanken weg. Diese Hoffnung verbot sie sich seit einiger Zeit. Als ihre Mutter vor vier Jahren überfahren wurde, musste sie alleine klarkommen. Niemand interessierte sich für das verunsicherte Mädchen.
Jetzt wurde sie auch noch unfair, denn so stimmte die Geschichte nicht. Die Familie, die sie aufgenommen hatte, war wirklich liebevoll gewesen, aber hier konnte sie auf keinen Fall bleiben. Sie wollte Sean und Heather schützen, zumal sie irgendwann dahintergekommen wären, dass ihr Pflegekind in der Lage war, sich in eine Katze zu verwandeln. Lana seufzte leise.
Joleen betrat die Spielbank durch den kleinen Eingang für die Angestellten. Schnell ging sie durch den kahlen Korridor zu den Umkleideräumen, wo sie ihre Jeans und das Sweatshirt gegen eine schwarze Hose,eine weiße Bluse und ein kurzes Jackett tauschte. Geschickt nahm sie ihre langen, roten Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen, damit sie ihr nicht ständig ins Gesicht, oder noch schlimmer den Gästen in die Getränke, fielen. Ein Blick in den Spiegel bestätigte ihr, dass sie den Ansprüchen der Wiesbadener Spielbank durchaus entsprach. Etwas worauf sie größten Wert legen musste, immerhin hatte sie es zum Supervisor geschafft. Mit einem Lächeln auf den Lippen ging sie zu ihrem Arbeitsplatz, auch hier benutzte sie dabei die Wege hinter den Kulissen.
Ruhig sah sie sich in dem großen Spielraum mit seinen Black-Jack- und Roulett-Tischen um, damit sie die Anzahl der Gäste abschätzen konnte. Es war erstaunlich voll für einen Donnerstagabend, aber das war ihr nur Recht, es gab nichts Schlimmeres, als sich durch den Abend zu langweilen. Ihre Kollegen grüßte sie mit einem freundlichen Nicken, ehe sie die Bestände kurz checkte und sich erkundigte, ob alles glatt gelaufen sei. Eine Routine, die sie vor gut fünf Jahren entwickelt hatte und die sich bewährte. Auf keinen Fall wollte sie den Chef rauskehren, so etwas passte überhaupt nicht zu ihr.
Die Stadt schlief, selbst die letzten Nachzügler hatten die Pubs längst verlassen, als Emily vor dem großen Gebäude stand und an der Fassade hochsah. Irgendwo im zweiten Stock war der Safe, dessen Inhalt ihr die nächsten Monate ein halbwegs vernünftiges Leben sicherte. In diesem Tresor befanden sich Wertpapiere und Bargeld von mehreren tausend Euro. Wie immer würde sie nicht alles nehmen, sondern gerade soviel, wie sie brauchte.
Seufzend senkte sie den Blick wieder, ihr Onkel hatte ihr sehr frühbeigebracht ein Schloss zu knacken, damals hielt sie es für ein Spiel. Heute war sie schlauer, mit achtundzwanzig Jahren war sie abgeklärter als viele gleichaltrige Frauen. Oft wünschte sie sich, die Zeit umdrehen zu können und sich für einen anderen Weg zu entscheiden, doch gab es keine Möglichkeit für sie. Ohne weiter darüber nachzudenken, kletterte sie geschickt an der Fassade hoch, die genug Vorsprünge und Fensterbänke bot, um ihren Fingern und Zehen Halt zu geben.
Von ihrem Besuch am Vortag wusste sie, dass die Alarmanlage lediglich die Eingangstür sicherte. Wie einfältig die Leute hier waren, sie gab sich als Polizistin aus, die sich informierte, ob die Bewohner besondere Vorkommnisse bemerkt hatten. Die Uniform besaß sie schon länger und niemandem fiel auf, dass es sich um eine geniale Fälschung handelte, die Hausherrin fragte nicht mal nach einem Ausweis. Nach einer kurzen Weile kam ein Gespräch auf und Emily erhielt die gewünschten Informationen schneller als sie erwartete, die Hausfrau schien froh zu sein, sich unterhalten zu können.
Immer noch grinsend erreichte sie den zweiten Stock, wo die Frau ihr stolz den Tresor präsentiert hatte. Das Model kannte sie sehr gut und es würde ihr keine Schwierigkeiten machen, es zu knacken. Ihr Werkzeug bewahrte sie in einer Gürteltasche auf, die sie eng an ihre Seite gebunden hatte. Eine kleine Ausbuchung an ihrem schwarzen Catsuit, den sie zur Arbeit meistens trug. Mit einem Glasschneider schnitt sie ein Loch ins Fensterglas, griff hindurch und öffnete das Fenster. Geschmeidig glitt sie in den Raum, in ihrer Tasche war ebenso eine Taschenlampe, die sie jetzt herausholte und einschaltete.
„Macht euch fertig! Abfahrt in zehn Minuten“, erklang Davids Stimme. Gerry hörte ihn, obwohl die Tür geschlossen war und sein Boss bestimm tnicht laut gesprochen hatte. Ein großer Vorteil der Gestaltwandler,niemand hier im Hauptquartier musste schreien. Mit einem erleichterten Grinsen lief er in sein Zimmer, nahm sich einen Seesack und packte seine Kleidung ein. Wie immer wusste keiner, wie lange der Einsatz dauern würde und die Details bekamen sie erst im Flugzeug.
Trotzdem war für ihn alles besser, als herumzusitzen, zumal ihn in der letzten Zeit eine ungewöhnliche Unruhe plagte. Zusammen mit seinen Klamotten und persönlichen Gegenständen schnappte er sich noch die Arzttasche, die ständig gepackt in seinem Zimmer stand. Mittlerweile war er 530 Jahre alt und wusste alles, was es über Medizin zu wissen gab, egal ob es sich um menschliche oder magische Wesen handelte.
In seiner Funktion als Arzt begleitete er die erste Einheit der Gestaltwandler, die durchgeknallte Zauberwesen einfing. Natürlich beherrschte er auch verschiedene Kampftechniken und seine tierischen Sinne, halfen ihm ebenso. In vielen Situationen hatte es seine Vorteile,wenn er sich in einen Luchs verwandelte, dabei musste er vorsichtig sein,da die Menschen nichts von der Existenz der übernatürlichen Welt wussten. Kurz darauf saß er mit seinen Kameraden in einem großen Van, der von Logan, dem Jaguar gefahren wurde. Sie alle waren erfahrene Söldner im Dienst ihrer Regierung, die nichts mit den Normalsterblichen zu tun hatte.
Neben Logan saß Patrick, ein Panther und gleichzeitig ein begnadeter Hacker. Logans Gefährtin Joleen, die normalerweise diesen Platz hatte,musste zuhause bleiben, da sie ein Baby erwartete. Gerry hatte ihr strengstens verboten zu fliegen, weil es in den ersten Monaten möglich war,dass es zu Komplikationen führte. Gerrys Blick glitt erneut über seine Freunde in diesem Van, der wie ein Kleinbus aufgebaut war, aber viele spezielle Extras enthielt. Die Technologie der magischen Welt war wesentlich weiter entwickelt, als jeder Mensch es sich vorstellen konnte.
Die Zimmertür flog auf und Cats Mutter stand auf der Schwelle.„Caitlin, mach endlich die Musik leiser“, schrie sie in den Raum, ehe es ihr die Sprache verschlug. Caitlin, die sich von ihren Freunden Cat nennen ließ, verdrehte genervt die Augen und erhob sich langsam vom Bett. Ohne die aufgebrachte Frau weiter zu beachten, drehte sie die Anlage etwas runter und stemmte die Arme in die Seiten.„Was bitte macht der Gnom in deinem Zimmer?“, wollte ihre Mutter entsetzt wissen.„Was schon? Er räumt auf, wie ich es ihm befohlen habe“, antwortete sie gelangweilt.„Du lässt dieses unschuldige Wesen sofort gehen, hast du gehört?“, befahl Elvira O´Kelly und atmete tief aus.
Irgendwie hatte sie das Gefühl, das ihr alles über den Kopf wuchs. Seit ihr Mann vor einem Jahr gestorben war, tat Caitlin, was sie wollte, verstieß ständig gegen Regeln und handelte sich mehr Ärger ein, als ihre Familie ausbügeln konnte.„Erst macht er seine Arbeit fertig, sonst werde ich ihn töten, sobald ich mich in einen Falken verwandelt habe“, widersprach die junge Frau fest.
Ehe Elvira in der Lage war zu antworten, klingelte es an der Haustür und sie sah noch einmal warnend auf ihr Kind. Schnell eilte sie zur Tür, wobei sie keine Ahnung hatte, wer sie um diese Uhrzeit besuchen wollte.„Guten Tag Miss O´Kelly, wir müssen uns leider mit Ihnen über ihre Tochter unterhalten“, begrüßte sie ein Typ im Anzug und hielt ihr einen Ausweis unter die Nase.
Seufzend bat sie die beiden Männer herein, die von der Regierung der magischen Welt geschickt worden waren. Die Zauberwesen lebten unerkannt unter den Menschen, besaßen aber ihre eigenen Gesetze und Regeln und ebenso Leute, die dafür sorgten, dass niemand diese Vorgaben übertrat. Mit klopfendem Herzen führte Elvira die zwei Wächter in die Küche, bot ihnen einen Kaffee an, den sie dankend ablehnten. „Wir machen es kurz, Caitlin hat bereits zum fünften Mal gegen die Geheimhaltung verstoßen.
Fröhlich pfeifend ging Dana zu ihrem Auto. Es waren nur noch ein paar Tage, dann hatte sie die Schule endlich hinter sich. Heute hatte sie die letzte Abiturarbeit geschrieben und sie hatte ein wirklich gutes Gefühl. Bevor sie einstieg, löste sie ihr lackschwarzes Haar und schüttelte den Kopf, damit die Haare aufgelockert würden. Heute wollten ihre Eltern ihr einen Geschäftspartner und seinen Sohn vorstellen. Dana lachte leise. Das würde ein toller Mann sein und bestimmt würden ihre Eltern erwarten, dass sie sich mit ihm abgab. Sie packte die Schultasche auf den Rücksitz ihres kleinen Golfs und dann fuhr sie los. Es dauerte nicht lange, da sah sie schon ihr Elternhaus und den Jaguar, der vor der Eingangstür stand. Der Besuch war also schon da.
Sie parkte ihr Auto und angelte die Tasche vom Rücksitz,dann warf sie die Haare mit einer kleinen Kopfbewegung über die Schultern und ging ins Haus. Im Flur wurde sie von dem Dienstmädchen begrüßt."
Hallo, gut, dass sie kommen. Ihre Eltern erwarten sie schon ungeduldig," flüsterte sie und nahm ihr den Mantel und die Tasche ab."
Danke, Becca. Aber leider konnte ich die Deutsch-Arbeit nicht schneller schreiben. Immerhin ging es um mein Abitur", grinste Dana. Becca grinste zurück,beide verstanden sich sehr gut und beide wussten, welch antiquierten Ansichten Danas Eltern hatten.
Ein leiser Ruf hallte durch die Räume des Söldnerlagers in Ballygannon. Ein normaler Mensch hätte die Worte nur als Raunen wahrgenommen,aber die Söldner besaßen ein sehr gutes Gehör, sodass kurz darauf die erste Einheit im Büro ihres Vorgesetzten versammelt war.
Steward blickte seine beste Truppe besorgt an, denn die Aufgabe, die ihnen bevorstand, war gelinde gesagt schwierig.„Schieß los, so wie du uns ansiehst, kommt ein dicker Hammer auf uns zu,da macht dein Schweigen es auch nicht besser“, forderte Brian, der junge Werwolf, ihn auf. Caitlin, seine Gefährtin, stieß ihm den Ellenbogen in die Seite.„Musst du immer so drängeln? Wir erfahren früh genug, was uns erwartet“,zischte sie ihm zu, als sie sah, dass sich Stews Stirn runzelte.
Grinsend zog Brian sie an sich, küsste sie schnell, um dann wieder seine Aufmerksamkeit ihrem gemeinsamen Boss zuzuwenden.„Es geht um eine Erscheinung in Belgien. In Ostende drückt ein plötzlicher Wind Passanten ins Meer, was kaum unser Problem wäre, wenn die Sylphe unsichtbar bliebe. Ich habe keine Ahnung, warum sie sich zeigt“, brachte Steward hervor. Nachdenklich sah David ihn an, er war der Anführer der ersten Einheit; an seine Seite schmiegte sich Emily, die Dämonenblut in sich hatte, aber ansonsten einem normalen Menschen entsprach.„Vielleicht hat sie ihre Kräfte nicht unter Kontrolle“, vermutete er.
Der Wolf war mit einem fotografischen Gedächtnis sowie einer enormen Intelligenz ausgestattet, doch im Moment konnte auch er nur raten.„Das sollt ihr herausfinden. Außerdem möchte Ronwe, dass ihr die Sylphe hierher nach Ballygannon bringt. Sie hat die Geheimhaltung missachtet,dadurch sind die Menschen auf uns aufmerksam geworden. Ich brauche euch kaum zu sagen, was das heißt oder?“, beendete Stew das Meeting.
Jeder wusste, dass Ronwe der oberste Richter und Patricias Großvater war.Er regierte die magischen Wesen zusammen mit je einem Vertreter der jeweiligen Art.„Wir werden unser Bestes tun, wie immer“, stieß Logan hervor, während er seine Liebste Joleen an sich drückte.
Unruhig lief Jorgan in seinem Wohnzimmer auf und ab. Immer wieder musste er an die neusten Ereignisse denken, die sein Volk bedrohten. Bei dem Wort lachte er spöttisch auf. Die Handvoll Leute als Volk zu bezeichnen, war mehr als lächerlich. Mittlerweile war das Drachenvolk auf weniger als fünfzehn Personen geschrumpft. Überall in der magischen Welt hielt man sie für ausgestorben,ein Gerücht, das sie selbst verbreitet hatten.
Seufzend dachte er über seine Gattung nach. Die Drachen galten als brutal,unbeherrscht und man war ihnen ständig mit Misstrauen begegnet. Das war einer der Gründe, warum sie sich vor vielen Jahren in die rumänischen Karpaten zurückzogen.
Die Menschen wussten, zum Glück, nicht, dass es überhaupt andere Wesen unter ihnen gab, abgesehen von ein paar Vertrauten, die sich das Wissen mit ihrer Loyalität erworben hatten. Missmutig ließ er sich auf einen Sessel fallen, nur um seine rastlose Wanderung nach einigen Sekunden wieder aufzunehmen.
Zu viele Gedanken rasten ihm durch den Kopf. Ein Verräter in den eigenen Reihen, eine Gruppe von Leuten, die sie vernichten wollten und zusätzlich eine extreme Nervosität, die eben nicht den Geschehnissen geschuldet war. Fahrig strich er sich durch das dunkle, kurze Haar, schloss die Augen, um durchzuatmen, ehe er erneut vom Fenster zum Schrank ging. Ein Klopfen ließ ihn hochschrecken, obwohl er den Besuch seines Anführers bereits vermutete. Schnell lief er zur Haustür, zumal alles besser war, als alleine in seinem Zimmer zu grübeln.
Wie erwartet stand Verkan vor der Eingangstür, der ihn ernst anblickte .„Komm rein.“Jorgan ging vor, dabei versuchte er verzweifelt die Nervosität zu unterdrücken. Eindringlich musterte sein Anführer ihn, ehe er leicht grinste.„Du weißt, dass du bald deine Gefährtin triffst, oder?“ Natürlich wusste er das, aber er würde keinesfalls auf irgendjemanden eingehen. „Das werde ich verhindern. Glaubst du wirklich, dass ich eine Frau in diesen unseligen Krieg hineinziehe?“
Das Telefon klingelte und Jill überlegte einen Moment,ob sie sich überhaupt melden sollte. Das Wochenende stand an, somit konnte es eigentlich nur ihre Freundin Sarah sein, die sie wieder mal auf eine Party schleppen wollte. Wieso um alles in der Welt hatte sie ihr an Silvester auch versprochen, dass sie dieses Jahr mit auf die verschiedenen SM-Partys gehen würde?
Seufzend meldete Jill sich.„Hey Süße heute Abend steigt die Party in Mainz und ich hab uns zwei Eintrittskarten gesichert, du solltest also schnellstens deine Outfits checken“, rief Sarah aufgeregt in den Hörer.„Ist ja klasse Sarah, aber kannst du heute Abend nicht einfach ohne mich gehen?“, blockte Jill fast schon unfreundlich ab. „Oh nein, Misses Ich-vergrab-mich-zu-Hause, du hast mir was versprochen“, konterte sie. „Du wirst schön mitgehen und endlich mal einen vernünftigen Mann finden.“
Jill seufzte unhörbar, sie hatte jetzt die Möglichkeit zwischen einer endlosen Diskussion mit einer sauren Sarah und einem Abend bei einer SM-Party, auf die sie nicht gehen wollte.„Ist ja schon gut, ich komm dich um acht abholen“ ,lenkte sie ein.
Ängstlich kauerte Emma sich an der brüchigen Mauer zusammen. Ihre Kleider waren zerrissen und sie fror erbärmlich. Sie saß im Schneematsch und konnte den Blick nicht von der Szene vor ihr nehmen .„Pass auf, Jill“, schrie der Dämon mit dem Loch im Schädel jetzt auf.
Sie zuckte zusammen und versuchte sich noch kleiner zu machen. Der Kampf vor ihr war brutal und sie wusste nicht, was geschah, wenn das Pärchen gewann. Dabei wusste sie ganz genau, was passierte,wenn der einzelne Dämon gewann, der gerade wütend aufbrüllte. Seit fast drei Wochen befand sie sich schon in der Gewalt des Dämons und er hatte ihr sehr deutlich gemacht, dass es diese Wesen wirklich gab.
Zuerst hielt Emma das alles für einen dummen Scherz, als dieser Mann sie in sein Auto zerrte und losfuhr. Im ersten Moment kam sie gar nicht auf die Idee, dass er sie entführen wollte. Wieso auch? Bei ihr gab es nichts zu holen, ihre Eltern waren Rentner, die keinen Cent zu viel hatten. Energisch erklärte sie ihm, dass es unlogisch wäre, sie mitzunehmen, denn sie selbst besaß keine Reichtümer.
„Verdammte Idioten, die machen uns das Geschäft noch komplett kaputt!“ Ole Peterson, der Besitzer einer kleinen Reederei für Hafenrundfahrten,warf ärgerlich die Tageszeitung auf den Tisch in seinem Büro. Isabelle, seine jüngste Angestellte, blickte vorsichtig auf, während sie weiterhin einen Kasten mit verschiedenen Flaschen füllte.
Die nächste Fahrt ging in einer guten halben Stunde los und da sollten die Getränke auf dem Boot sein. „Was glotzt du so dämlich, Tanzmaus? Sieh zu, dass du die Sachen an Bord schaffst und dieses Mal will ich, dass du mehr verkaufst. Wir leben nicht von den glücklichen Gesichtern der Gäste.“ Isabelle nickte, gleichzeitig verkniff sie sich eine Erwiderung. Es brachte nichts, sich mit dem Chef anzulegen, das hatte sie in den letzten vier Monaten gelernt.
Der Kapitän des Schiffes, das gleich auslaufen würde, zwinkerte ihr freundlich zu, doch er hütete sich, sich einzumischen. Gerade, als sie den Kasten hochwuchtete, fiel ihr Blick auf die Tageszeitung. „Erneuter Leichenfund in der Speicherstadt“, prangte ihr in großen Buchstaben entgegen. Ein aufforderndes Schnalzen des Reeders scheuchte sie aus dem Raum,trotzdem blieb ihr die Neuigkeit im Gedächtnis.
Während sie die Getränke einräumte und noch einmal nach dem Rechten sah, überlegte sie, was es mit den Morden in der Speicherstadt auf sich hatte.
Das war mittlerweile die vierte Leiche, die dort, ganz in der Nähe eines Sex-Klubs, gefunden wurde. Die Touristen bekamen Angst, die Polizei war ratlos. Bisher gab es wohl keinen Hinweis, wer die Leute umgebracht hatte. Gerüchte über Ritualmorde kamen auf, außerdem spekulierte man natürlich wild herum.
Es handelte sich um völlig unterschiedliche Personen, zwei Männer, zwei Frauen, die absolut nichts miteinander zu tun hatten. „Nimm es dir nicht zu Herzen. Der Alte hat einen Hass auf alles, was mit den Musicals in Verbindung steht, seit er die Absage bekommen hat.“ Axel, der Kapitän des kleinen Rundfahrtbootes, trug eine zweite Kiste, die er am Ende des Bootes abstellte, gleichzeitig lächelte er sie freundlich an.
„Super, einen früheren Flug hättest du auch nicht bekommen können,oder?“, schimpfte Matthias Richter, der hinter seiner Ehefrau auf den Check-in-Schalter zustapfte. „Das ist eine Pauschalreise, da hatte ich kaum einen Einfluss auf die Zeiten“, erinnerte Kira ihn leise. Murrend reichte er dem Mann hinter dem Schalter seinen Personalausweis,dabei sah er seine Frau wütend an. Diese Reise ging ihm gehörig gegen den Strich, zumal er den Sinn dahinter nicht verstand.
Matthias ließ die letzten Tage noch einmal Revue passieren. Kira hatte ihm diesen Zwangsurlaub aufgedrängt, weil sie Eheprobleme befürchtete. Sie waren jetzt seit fünf Jahren verheiratet, da war es doch verständlich, dass er mal Abwechslung brauchte und die fand er eben bei seiner hübschen Sekretärin. Außerdem hatte er ihr erklärt, dass sie völlig falsch mit ihren Verdächtigungen lag.
Wo kam man denn hin, wenn die eigene Ehefrau einem misstraute? Angelika hing ihm darüber hinaus auch nicht ständig in den Ohren, dass ihre biologische Uhr ticke und sie ein Kind wolle. Er aber fühlte sich unwohl, bei dem Gedanken Vater zu werden. Kira blickte den Mann hinter dem Schalter entschuldigend an, dann reichte sie ihm die Reiseunterlagen sowie ihren Personalausweis, anschließend wuchtete sie den schweren Koffer und die Reisetasche auf das Fließband.„Ich wünsche Ihnen einen schönen Urlaub.“
Der Typ lächelte sie freundlich an, ehe er sich dem nächsten Paar zuwandte .„Was jetzt?“
Matthias bemühte sich kaum, seine schlechte Laune zu verbergen,immerhin war diese Reise keineswegs auf seinem Mist gewachsen.„Wir gehen gleich durch die Sicherheitskontrollen, dahinter können wir einen Kaffee trinken, wenn du möchtest“, erklärte Kira versöhnlich.
Es war ihre Idee gewesen. Sie versuchte, auf diese Weise ihre Ehe in die richtige Bahn zurückzulenken, da sie bemerkt hatte, was da zwischen ihrem Mann und seiner Sekretärin lief. Irgendwie gab sie sich die Schuld, denn ihr Job ließ ihr nur beschränkt Zeit, sich um die Bedürfnisse ihres Ehemannes zu kümmern.
Darja stand mit trotzig vorgerecktem Kinn und verschränkten Armen vordem Schreibtisch ihres Vaters Makar, der sie auffordernd ansah. Nur ihre zitternde Unterlippe verriet, dass sie bei Weitem nicht so selbstsicher war,wie sie tat.„Würdest du dich jetzt bitte setzen? Ich möchte, nicht ständig zu dir aufschauen“, forderte Makar sie zum zweiten Mal auf. Mit kaltem Blick betrachtete er seine Tochter, die er nie hatte haben wollen.
Er hatte seine Frau sogar gebeten abzutreiben, aber Nadeschda setzte ihren Kopf durch; was sie mit ihrem Leben bezahlte. Dieser Verlust machte ihm auch heute, mehr als dreiundzwanzig Jahre danach, noch zu schaffen. Darja sah ihrer Mutter extrem ähnlich mit ihren schwarzen langen Haaren,den katzenähnlichen, schmalen Augen, die den mongolischen Einfluss zeigten, sowie ihrem ovalen Gesicht. Sie war eine wahre Schönheit, schlank,nicht zu zierlich und mit genug Feuer im Blut, um einen Mann zu erfreuen.
Jetzt allerdings setzte sie ihr Temperament ein, um sich gegen ihren Vater aufzulehnen, was dieser keinesfalls tolerieren würde. Missmutig ließ sie sich auf den Stuhl fallen, dabei blitzte sie ihn herausfordernd an.„Ich werde Sergej heiraten. Wir lieben uns, außerdem sind wir seit vier Jahren zusammen“, teilte sie ihm störrisch mit.
Genau der Punkt störte Makar, der es innerhalb der Bratwa sehr weit gebracht hatte. Die Bratwa, die Bruderschaft, stellte die russische Mafia dar und er leitete das Kartell Tombowskaja in Sankt Petersburg.
Auf keinen Fall ließ er zu, dass seine Tochter einen seiner Buchhalter heiratete. Besonders im Moment nicht, da er sie brauchte, um unliebsame Geschäftspartner an Orte zu locken, die einsam genug lagen, sodass nicht jeder seine unsauberen Machenschaften mitbekam. Darja hatte alle Vorzüge einer hübschen Frau, besaß die Bildung, die man von ihr erwartete, nur musste sie dringend lernen, dass Liebe eine Einbildung war. Einen Augenblick lang dachte Makar, dass er die Stimme seiner Ehefrau hören würde, die ihn für diese Überlegung tadelte. Er hatte sie geliebt, aber mit ihr waren sämtliche Gefühle gestorben! Zu genau erinnerte er sich an den Schmerz in seinem Inneren, der immer noch nicht ganz verklungen war. Nur ähnelte er jetzt einem hartnäckigen Pochen.
Erwartungsvoll sah Swetlana ihren Chef Michail an, doch der lächelte nur unverbindlich zurück. Wie immer besprachen sie zuerst, wer welche politischen Themen zu bearbeiten hatte, dann folgte der regionale Teil, ehe es zum Sport und zum Lifestyle kam. Swetlana kannte diese Prozedur bereits, da sie seit gut drei Jahren für Moye Mneniye in Sankt Petersburg arbeitete. Natürlich wäre sie lieber bei einer der großen Tageszeitungen untergekommen, allerdings konnte sie schon froh sein, dass man sie als Frau überhaupt annahm.
Nach ihrem Studium absolvierte sie ein einjähriges Volontariat bei der Londoner Zeitung Daily Star, die sie auch für die folgenden zwei Jahre beschäftigt hatten. Aber Swetlana zog es in die Heimat zurück, außerdem hoffte sie, endlich über die neusten Mode- und Make-up-Trends hinauszukommen. „Kommen wir zum Sportteil. Ihr wisst, dass unser amtierender Box-Weltmeister Nikolaj Konstantinowitsch Kasakow die Herausforderung des Spaniers angenommen hat. Der Kampf soll in zwei Monaten hier in Sankt Petersburg ausgetragen werden.“
Michail hielt inne, um seine Angestellten ausgiebig zu mustern. Ein Teil kritzelte auf ihren Blöcken herum, weil sie ihre Aufgaben bereits bekommen hatten, einige sahen ihn erwartungsvoll an und der Rest tat so,als ob sie interessiert wären. Sein Blick blieb kurz an Swetlana hängen. Sie hatte ihn angefleht, ihr endlich eine Chance im Bereich Sport zu geben, aber sie war eine Frau! Er konnte ihr unmöglich die Berichterstattung über ein solches Eventüberlassen.
Innerlich schüttelte er den Kopf, dass er überhaupt darüber nachdachte,dann nickte er seinem langjährigen Freund zu, der sich bisher um den Sportteil gekümmert hatte. „Gregor, du übernimmst das.“ Das empörte Aufschnauben von Sweta überhörte er gekonnt, jeder Beschwichtigungsversuch würde nur zum Eklat führen, was er absolut vermeiden wollte. Michail kannte das aufbrausende Temperament seiner Mitarbeiterin.
Ängstlich blickte Jelena zur Uhr an der gegenüberliegenden Wand. Nazar würde in weniger als einer halben Stunde nach Hause kommen und sie wusste jetzt schon, dass sie das Essen keinesfalls rechtzeitig fertig hatte. Außerdem war die Wohnung noch nicht aufgeräumt, ganz abgesehen davon, dass Sofia in ihrem Zimmer mit den Legosteinen spielte.
Ihr Ehemann bestand darauf, dass die Böden glänzten, nirgendwo etwas herumlag und alles tipptopp sauber war. Oft genug hatte Jelena es ausbaden müssen, wenn er der Meinung war, dass sie ihre Hausarbeit vernachlässigte. Sie wusste, dass er kaum begeistert sein würde. Es war keinesfalls so, dass sie herumgetrödelt hatte oder faul war. Ganz im Gegenteil, nur gab es Tage,an denen einfach vieles schieflief. Zuerst wollte die Kindergärtnerin ein Gespräch mit ihr führen, weil sie sich Sorgen machte. Auch davon durfte Nazar auf gar keinen Fall etwas erfahren.
Sollte er den Verdacht schöpfen, dass sie mit irgendjemandem über sein Verhalten sprach, hagelte es Ohrfeigen. Inzwischen fiel es ihr schon schwer,ihr lädiertes Aussehen zu begründen. Seufzend strich sie sich das lange, braue Haar aus dem Gesicht, gleichzeitig verdrängte sie die Tränen, die ihr in den Augen brannten. Als sie ihren Ehemann kennenlernte, war er fürsorglich, charmant und liebevoll, doch mittlerweile sah er sie kaum mehr an, wofür sie außerordentlich dankbar war.
Auf gar keinen Fall wollte sie seine Aufmerksamkeit provozieren, die ihr nicht gut bekam. Die Schikanen fingen an, als er vor vier Jahren seinen gutbezahlten Job als KFZ-Mechaniker verlor. Verzweifelt versuchte er eine andere Anstellung zu bekommen, allerdings fand er nur eine Hilfsarbeiterstelle in der Fabrik, die auch noch mit einem Hungerlohn abgegolten wurde.
Seitdem trank er regelmäßig, gab ihr die Schuld an allem, was schief ging und verprügelte sie. Natürlich wäre Jelena gerne mit ihrer Tochter von ihm weggegangen, aber sie wusste nicht wohin, außerdem hatte Nazar ihr gedroht, ihr Sofia wegzunehmen, falls sie ihn verließ. Fahrig strich sie sich eine Träne vom Gesicht, die sie nicht zurückhalten konnte, dabei bewegte sie sich nur vorsichtig, da ihr rechter Arm bei der kleinsten Bewegung wie Feuer brannte.
Mit klopfendem Herzen und schweißnassen Händen stieg Kyrill aus dem Flugzeug. Es durfte einfach nicht wahr sein, was seine Schwiegermutter ihm vor einigen Stunden mitgeteilt hatte: Seine Tochter und seine geliebte Ehefrau konnten unmöglich verbrannt sein. Immer wieder schüttelte er den Kopf, versuchte die böse Vorahnung zu verscheuchen. Verzweifelt klammerte er sich an die Hoffnung, dass die Frau, die ihn hasste, sich nur einen makaberen Scherz erlaubt hatte. Er war nach dem Telefonat sofort zum Flughafen gefahren, um die nächste Maschine nach Hause zu nehmen, sodass er jetzt nicht auf sein Gepäckwarten musste. Nikolaj würde es später mitbringen.
Bei den Überlegungen erinnerte er sich daran, dass sein Schützling zum ersten Mal Weltmeister im Schwergewicht geworden war, aber zu welchem Preis?
Gab es diesen Brand wirklich? War das vielleicht die ausgleichende Gerechtigkeit?
Solche absurden Gedanken schossen ihm durch den Kopf, während er in der Schlange stand, um den Zoll hinter sich zu bringen. Immer wiederhörte er die Stimme seiner Schwiegermutter, die ihm vorwarf ihre Tochter,seine Ehefrau im Stich gelassen zu haben. Angeblich hatte ein Feuer sie im Schlaf erwischt.
Angst hielt ihn fest im Griff, gleichzeitig weigerte er sich, die Nachrichten zu glauben. Bestimmt würde Irina gleich lachend aus dem Haus gelaufen kommen und ihn einen Dummkopf schimpfen, weil er auf ihre Mutter gehört hatte. Endlich war er durch den Zoll, rannte aus dem Gebäude, um sich sofort in ein Taxi zu setzen. Schnell nannte er dem Fahrer seine Adresse, wobei ihn erneut die böse Vorahnung beschlich, dass es doch wahr sein könnte.
Der Verkehr in Sankt Petersburg war zähflüssig wie immer, sodass er noch eine Galgenfrist hatte, in der er sich einredete, dass das alles nur ein großes Missverständnis war. Die leise Stimme in seinem Hinterkopf, die ihn daran erinnerte, dass seine Schwiegermutter während des Telefonats in Tränen ausgebrochen war, ignorierte er. Endlich hielt das Taxi.
Makar blieb einen Moment in seiner Limousine sitzen, nachdem sie vor der Boxschule des ehemaligen Boxweltmeisters Nikolaj Kasakow gehalten hatte, um nachzudenken. Das Schicksal ging manchmal seltsame Wege,denn hätte man nicht versucht, ihn vor drei Jahren in der Newa zu ertränken, wäre das Verhältnis zwischen seiner Tochter Darja und ihm wohl immer noch zerrüttet. Damals zog Nikolaj, oder Kolja, wie seine Freunde ihn nannten, ihn aus dem Wasser, um ihm das Leben zu retten. Dem Boxer war zuerst unklar gewesen, wen er da aus dem Fluss gezogen hatte, aber mit dieser Tat befreite er sich von der Bratwa, der russischen Mafia.
Makar war bestimmt nicht stolz darauf, was er bisher alles getan hatte,doch als Chef des Kartells Tambowskaja, einer Gruppierung desorganisierten Verbrechens in St. Petersburg, durfte er sich ein Gewissen nur in den seltensten Fällen erlauben. Somit gab es keine Möglichkeit,seine Leute zu stoppen, als sie den Boxer zu lebensgefährlichen, illegalen Kämpfen zwangen. Erst als er seine Schuld begleichen wollte, konnte er ihm zugestehen, dass man ihn in Ruhe ließ.
Dass seine Tochter sich anschließend in den besten Freund von Nikolajverliebt hatte, stellte einen weiteren Baustein in diesem seltsamen Reigen von Zufällen dar. Eduard Alexandrowitsch Petrow, der bekannte Milliardär,wurde sein Schwiegersohn. An den Gedanken musste er sich immer noch gewöhnen.
Sicherlich sah er ein, dass er einen Fehler gemacht hatte, als er den früheren Verlobten von Darja vor ihren Augen erschießen ließ, obwohl der ein untreuer Mistkerl war. Selbstverständlich hätte er ihr die Hintergründe erklären müssen, nur zu dem Zeitpunkt wollte er alle zärtlichen Gefühle abtöten. Ein verdammt dämlicher Vorsatz.
Mit einem Lächeln dachte er daran, dass er erneut eine Chance vom Schicksal bekam, um seine Verfehlungen wiedergutzumachen, als er Eduard vor einer Hinrichtung rettete. Seitdem kamen sich Vater und Tochter Schritt für Schritt näher. Makar seufzte leise. Wie viel einfacher wäre sein Leben verlaufen, wenn er nicht in die einflussreichste Mafiafamilie von St. Petersburg hineingeboren worden wäre.
Sam stand an dem krummen Baum vor der russischen Botschaft und sah mit zusammengekniffenen Augen auf die kleine Gruppe, die sich dem Eingangstor näherte. Zu gut kannte sie den arroganten Botschafter, der im Gespräch mit einem älteren Mann vertieft schien. Natürlich umringten Leibwächtern die beiden, auch das hatte sie oft genug gesehen. Die Gruppe passierte sie, ohne auf sie zu achten, was Sam mehr als recht war. Nur einer der Bodyguards drehte sich zu ihr um und etwas blitzte in seinem Gesicht auf.
Sofort erkannte sie, dass der Typ ein Jäger war und sie fluchte unterdrückt. Auf der anderen Seite wunderte es sie nicht, Martin Kusnezov wusste ganz genau, dass es Elementals gab. Noch einmal sah der Bodyguard sie an, dabei hielt sie seinem Blick stand. Mit einem verschlagenen Grinsen beugte sie sich runter, als ob sie den Schuh binden wollte, dann berührte sie den Asphalt. Ihre Pupillen wurden weiß und wiesen die Maserung von Eiskristallen auf.
Eine Sekunde später war der Boden vereist und die kleine Gruppe schlitterte über den Bürgersteig, während der Botschafter sogar hinfiel. Sam sah es mit einem Lächeln, das ihre Genugtuung zeigte. Die Leibwächter sprangen sofort zu ihrem Auftraggeber,nur der Jäger blickte noch einmal zu ihr und in seinen bernsteinfarbenen Augen zeigte sich eine deutliche Warnung.
Völlig fertig fiel Katrin in das große Bett. Sie warerschöpft von den Erlebnissen der letzten Zeit, aber die Gedanken purzelten nur so durch ihr Hirn und ließen sie einfach nicht zur Ruhe kommen. Immer noch wurde ihr eiskalt, als sie an die SMS dachte, die sie von ihrer besten Freundin Samanthavor fast drei Tagen erhalten hatte. Sie war zusammen mit Sam vor über fünf Jahren nach Deutschland geflüchtet, weil der Stiefvater von Sam Martin Kusnezov die beiden Frauen bedrohte und belästigte.
Katrin schluckte schwer, als sie sich an diesen Mistkerl erinnerte, er versuchte sie zu vergewaltigen, Sam ging dazwischen. Natürlich wurde es nicht so einfach, wie sie es sich vorstellten, denn Kusnezov schaffte es, als Botschafter in Berlin eingesetzt zu werden. So stellte er eine tägliche Bedrohung für Sam und sie dar, zumal er ihnen deutlich machte, dass er sie bekommen würde.
Gott sei Dank wusste er nicht, dass Katrin ein Feuerelemental war, ein Mensch, der das Feuer beherrschte. Bei Sam war das anderes, der Mann wusste, dass sie ein Wasserelemental war und so forderte er einen Jäger an. Bei dem Gedanken musste sie lächeln, denn der Schritt war Kusnezovs größter Fehler gewesen.
Der Tag begann wie jeder andere, vor dem Morgengrauen stand Anna auf, um sich für die Arbeit fertigzumachen. Anschließend bereitete sie schon mal das Frühstück für ihre Mutter und ihre beiden Brüder vor. Seit ihre Mutter im letzten Winter die Lungenentzündung hatte, war sie nicht mehr wirklich belastbar und Anna versuchte alles, um ihr das Leben zu erleichtern. Nachdem sie die Vorbereitungen abgeschlossen hatte, machte sie sich auf den Weg zu der Kleiderfabrik, in der sie arbeitete.
Es war ein Fußmarsch von gut fünf Kilometern, der im Frühjahr und im Sommer gut bewältigt werden konnte. Im Herbst und Winter sah es anders aus, da wurden die Minuten zu Stunden, wenn Regen oder Schnee auf sie niederprasselte. Ihre Schicht fing um sieben Uhr an und sie musste sich heute beeilen,wollte sie pünktlich sein. So beschleunigte Anna ihren Schritt und bemerkte nicht, dass zwei Typen sie verfolgten.
Dunkle, hasserfüllte Blicke folgten ihr, bis sie im Fabrikgebäude verschwand.„Sie ist schuld, dass die Ernte dieses Jahr so mies ausfällt“, meinte einer der beiden Männer, die ihr gefolgt waren. „Stenka, ich weiß nicht recht, schau sie dir an, wie sollte sie die Macht haben, die Ernte zu verderben? Sie ist unscheinbar, zu dick und sieht überhaupt nicht aus wie eine Hexe“, antwortete der zweite Mann unsicher.
Müde sah Elena aus dem Fenster ihres kleinen Appartements und seufzte leise. Vor ihr auf dem Schreibtisch stapelten sich die Klassenarbeiten, die sie an diesem Sonntag korrigieren wollte. Missmutig verzog sie das Gesicht, als sie an ihren Bruder dachte, der sie immer wieder bat, ihren Job aufzugeben. Irgendwo verstand sie ihn ja, aber sie liebte die Arbeit mit den Schülern, besonders mit den Kindern, die aus sozial schwachen Familien kamen.
Natürlich hatte sie es nicht einfach. An der Schule, an der sie unterrichtete, herrschten teilweise raue Sitten, anders als in den noblen Privatschulen, in denen Boris sie gerne sehen würde. Bisher hatte sie ihm die Stirn geboten, auch wenn es für sie nicht gerade ungefährlich war, denn ihr Bruder bekleidete immerhin das Amt des russischen Präsidenten. Genaugenommen handelte es sich um ihren Stiefbruder, aber sie waren zusammen aufgewachsen und jeder sah in dem anderen ein geliebtes Familienmitglied.
Ihr Smartphone klingelte und genervt sah sie auf das Display, welches die Nummer ihres Bruders anzeigte. Man könnte denken, dass ihre Gedanken ihn hergezaubert hätten.„Guten Morgen Bruderherz, was kann ich für dich tun? Oder rufst du an, um mir mal wieder zu sagen, dass ich die Schule wechseln soll?“, meldete sie sich ein wenig spöttisch.
Gelangweilt zupfte Viktor am Ärmel seines weißen Hemdes, während sein Kammerdiener und Vertrauter Stephan ihm die silberne Seidenweste hinhielt.„Ich könnte doch einfach hier bleiben, anstatt mir die ermüdenden Gespräche älterer Damen anzuhören, die mir ihre Töchter schmackhaft machen wollen.“ Er drehte sich zu Stephan um, ohne die Weste anzuziehen.„Natürlich könntet Ihr das, Eure Durchlaucht, allerdings würde es eine Menge unliebsamer Aufmerksamkeit auf Euch ziehen. Immerhin seid Ihr der Mäzen der Oper im Königlichen Hoftheater, da schätzt man Eure Anwesenheit.“
Geduldig legte der Diener das Kleidungsstück über seinen Arm, zumal er diese Szene schon öfter erlebt hatte.„Du hast recht, nur handelt es sich in dem Fall kaum um die hohe Kunst der Musik. Es gleicht eher einem Heiratsmarkt, bei dem die Kandidaten wie auf dem Viehmarkt begutachtet werden. Darüber hinaus sind die Gespräche auf einem Niveau, dass es mich schaudert. Gibt es keine interessanteren oder wichtigeren Themen außer der Mode, die Skandale der Adeligen und die beliebtesten Kurorte?“ Missmutig deutete Viktor auf die Seidenweste, die ihm Stephan sofort hinhielt. „Ihr wisst doch, dass es bei derlei Eröffnungen selten um Politik oder die Bedürfnisse der ärmeren Gesellschaftsschicht geht. Die Damen wären sehr empört, solltet Ihr in ihrer Gegenwart solche profanen Dinge ansprechen.“
Geduldig half der Kammerdiener seinem Herrn zuerst in die Weste,anschließend in sein schwarzes Jackett, das bis auf die Mitte der Oberschenkel fiel, so wie es die Mode vorschrieb.„Ich bin mir darüber bewusst, trotzdem verabscheue ich die Oberflächlichkeit.“ Seufzend drehte der Prinz von Nassau sich um, damit er seinen Gesprächspartner ansehen konnte. Dieser wollte gerade nach den Knöpfen greifen, als sein Dienstherr ihn mit einem Kopfschütteln davon abhielt.
Lukas sah betrübt auf den Tresen in seinem Lokal, wo mittlerweile nur noch ein Glas mit sauren Gurken und ein Glas mit alten Bonbons standen. Früher war die Gaststätte Zum schwarzen Fasan für seine kulinarischen Besonderheiten berühmt gewesen, aber heute wurden die Lebensmittel rationalisiert.
Deshalb beschloss er vor gut drei Jahren, aus dem Restaurant, das er geerbt hatte, ein Tanzlokal zu machen. Die einzige Möglichkeit, überhaupt Geld zu verdienen und seine Angestellten weiterhin beschäftigen zu können. Nicht, dass Lukas Otto Viktor von Nassau es nötig gehabt hätte, arbeiten zugehen. Seine Familie war uralt und genauso reich, allerdings gab es einige Gründe für ihn in Wiesbaden zu bleiben, wo er das Lokal seines Großvaters führte. „Glaubst du, dass sie heute Abend wieder handgreiflich werden?“
Die Stimme seiner besten Kellnerin riss ihn aus seinen Gedanken. Seufzend drehte er sich zu ihr, um ihr ein Lächeln zu schenken. „Ich hoffe nicht. Gestern war ich bei Polizeileutnant Börner, wo ich mich beschwert habe. Ich kann ja verstehen, dass die Soldaten Unterhaltung suchen, aber nicht auf diese Weise.“Julia nickte leicht, wobei sie verängstigt aussah.
Erst letzte Woche feierten einige SS-Männer bei ihnen. Die Leute betranken sich hemmungslos. Es kam, wie es kommen musste, ein Streit eskalierte. Lukas hatte Glück, dass er durch seine Beziehungen die Schäden schnell beseitigen lassen konnte. Trotzdem verunsicherte es seine Angestellten, wenn Soldaten das Lokal betraten. Nur wer fühlte sich zurzeit noch sicher? Sie alle saßen auf einem Pulverfass. „Ich wünschte, wir wären in der Lage, die Zeit zurückzudrehen“, flüsterte die junge Frau, ehe sie sich auf die Lippe biss.
Die Nazis sperrten die Menschen schon für weniger ein. Lukas legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Keine Angst, hier darfst du sagen, was du denkst. Es sei denn, wir haben geöffnet.“ Mit einem Grinsen nickte er zur Tür, die gerade von einer weiteren Angestellten aufgeschlossen wurde.
Begeistert beobachtete Katja den Wirt des Schwarzen Fasan, der seine Schwester zu den Klängen von Rock a round the clock über die Tanzfläche wirbelte. Nicht nur, dass der Mann fantastisch Rock ’n’ Roll tanzen konnte, er sah auch noch verdammt gut aus.„Hey, Maxim, warum seid ihr eigentlich nie in den Tanzsport eingestiegen?
Du hättest mit Alexandra einige Pokale abräumen können“, rief sein Kumpel Jens herüber, doch der Angesprochene winkte nur ab. Schwungvoll beendete er die kleine Showeinlage, legte seiner Schwester den Arm um die Schultern und ging mit ihr hinter die Theke.„Mir reicht es, wenn meine Gastwirtschaft gut läuft. Ruhm auf dem Tanzparkett bedeutet mir kaum etwas.“
Er lächelte, aber sofort zuckte er schmerzhaft zusammen, weil Alexandra,seine Zwillingsschwester, ihm den Ellenbogen in die Seite rammte.„Du bist unmöglich. Es ist auch mein Geschäft, falls ich daran erinnern darf“, schimpfte sie halblaut.„Deshalb musst du mir nicht die Rippen brechen, Schwesterchen“,beschwerte sich Maxim, doch gleich darauf lachte er erneut.
In seinen Augen glitzerte der Schalk, sodass ihm niemand böse sein konnte,nicht mal Alexandra.„Du tust immer so, als ob Opa dir den Fasan vermacht hätte. Das nervt“,zischte sie ihm zu, gleichzeitig zapfte sie geschickt ein Bier für einen Gast,der vor der Theke stand.„Sei lieb, sonst bekommst du nie einen vernünftigen Freund.“ Brüder waren manchmal echt die Pest. Während des Geplänkels zwinkerte Maxim Katja zu, die sofort verlegen den Blick senkte. Sie war Stammgast in dieser Kneipe, die ein angesagter Treffpunkt der jüngeren Leute Wiesbadens darstellte.
Hier gab es moderne Musik, ab und zu mal eine Liveband, Alkohol zu moderaten Preisen sowie etwas für den kleinen Hunger zwischendurch. Vor allem aber hatten die unter Dreißigjährigen ihre Ruhe vor den Älteren. Immer wieder wurde von den jungen Rebellen gesprochen, allerdings war die Zeit, in der uniformartige Kleidung getragen wurde, langsam vorbei. Die neue Generation begehrte auf, was vielen ein Dorn im Auge war.
Askja saß angekettet im Heck des riesigen Wikingerbootes und versuchte zu verstehen, was genau passiert war. Vor gut vier Tagen hatte es einen Überfall bei dem Gutsherrn gegeben, an den sie verkauft worden war,seitdem hatte sich ihre Welt komplett auf den Kopf gestellt.
Neben ihr hustete sich ein junger Mann die Seele aus dem Leib, was sie aus ihren Gedanken herausholte. Zu gerne würde sie ihm helfen, aber hier gab es keine Kräuter oder irgendetwas, das ihm Erleichterung verschaffen könnte. Dabei war er nicht der Einzige, der die Überfahrt wahrscheinlich nicht überlebte. Askja legte die Stirn auf ihre angezogenen Knie, einerseits, weil sie es kaum mehr ertrug, den Leuten beim Sterben zuzusehen, andererseits fror sie erbärmlich. Als die Wikinger sie aus dem Gutshaus gezerrt hatten, war ihre Kleidung zerrissen, weshalb sie keine Chance hatte, sich irgendwie vor der Kälte zu schützen.
Schnee fiel auf sie herab, dazu kam der harsche Wind, der das Schiff zwar vorantrieb, den Sklaven aber das Gefühl gab, ständig von Eisnadeln getroffen zu werden. Um sich ein wenig zu wärmen, drückten sie sich noch enger zusammen, dabei achtete niemand darauf, ob sein Nachbar gesund oder krank war. Genauso war ihnen der Gestank egal, der von einigen ausging. Jetzt hieß es nur, zu überleben!
Erneut dachte Askja an die letzten Tage, in denen die Wikinger sie gegen ihren Willen an Bord gezwungen hatten. Lachend spekulierten sie über den Preis, den sie wohl auf dem Markt in Haithabu erhalten würden. Immer wieder deuteten sie auf die Frauen, während sie sich Späße darüber erlaubten, welche sie für sich selbst behalten dürften. Bei dem Gedanken zuckte sie innerlich zusammen, keinem dieser ungehobelten Kerle wollte sie gehören.
Natürlich war ihr Leben kein Zuckerschlecken gewesen, nachdem ihre Eltern sie aus Not verkaufen mussten. Trotzdem hatte sie niemals gefürchtet, vorzeitig zu sterben. Sie bekam vorerst die Aufgabe, das Haus in Ordnung zu halten, wahrscheinlich, weil sie damals noch ein Kind war, gerade mal zehn Winter alt. Später hatte man sie auch aufs Feld geschickt oder in den Stall zum Misten und Melken. Zuerst war es ihr unheimlich schwergefallen, die Leute in Northumbrien überhaupt zu verstehen. Die isländische Sprache unterschied sich enorm von dem, was man hier in diesem Land von sich gab, doch Schläge und Tritte ließen einen schnell lernen.
Zóltan knöpfte nachdenklich seine Hose zu, dabei sah er auf die Frau, mit der er die letzten Stunden auf angenehme Art verbracht hatte. Ihre milchweiße Haut schimmerte im Mondlicht, das zum Fenster hereinschien.
Caroline, Gräfin von Hunyady, liebevoll Lilly genannt war in seinen Augen die schönste Hofdame, in der Schar, die sich um Kaiserin Elisabeth von Österreich befand. Ein wenig verwunderte es ihn, dass sie sich ausgerechnet auf ihn eingelassen hatte. Immerhin nannte man ihn nicht ohne Grund das Ungeheuer von Ungarn. Nicht nur seine direkte Verwandtschaft zu Elisabeth Báthory, der Blutgräfin, sondern viel mehr die Spuren, die er bei einem Kutschenunfall vor zehn Jahren davon getragen hatte, brachten ihm den Spitznamen ein. Damals war die Kutsche mit ihm und seinen Eltern vom Weg abgekommen.
Seine Mutter starb noch am Unfallort, sein Vater erlag seinen Verletzungen einige Tage später, nur der junge Zóltan hatte Glück. Bei diesen Gedanken stieß er spöttisch die Luft aus. Immerhin verunstalteten tiefe Narben seinen Oberkörper so wie sein Gesicht,außerdem hatte er das linke Auge eingebüßt und sein rechtes Bein blieb steif.„Nie bleibst du die ganze Nacht.“
Die vorwurfsvolle Stimme von Lilly holte ihn aus seinen Überlegungen zurück, gleichzeitig angelte er nach seiner restlichen Uniform. Seine Geliebte drehte sich zu ihm herum, um ihn schmollend anzusehen,dabei präsentierte sie ihm ihren nackten Körper. Mit einem großen Schritt war er am Bett, strich mit den Fingerkuppen sanft über ihre Schulter, ehe er ihr Kinn leicht anhob.„Natürlich nicht. Du bist Hofdame der Kaiserin, wenn ich dich dran erinnern darf.“
Spöttisch musterte er sie. Immer wieder versuchte sie ihn zum Bleiben zu überreden, aber er machte ihr unmissverständlich klar, dass sie für ihn nur ein netter Zeitvertreib war.„Die Leute reden schon. Vielleicht solltest du dich von mir fernhalten.“ Jetzt lachte Zóltan leise auf, ließ sie los und zog sich endgültig an.
Müde öffnete Sarah die Augen und sah sich verschlafen um. Die Kette an ihrem Fußgelenk schepperte, als sie sich bewegte, was sie daran erinnerte, dass sie noch bei ihrem Herrn war. Ein Blick auf die Uhr weckte sie völlig und sie stöhnte entsetzt auf, es war bereits kurz nach acht. So schnell sie konnte, streifte sie die Decke ab und sprang auf. Ihr Herr bestand darauf, dass sie auf dem Boden vor dem Bett schlief, wenn sie bei ihm war.
Außerdem kettete er sie immer mit einer langen Kette an.„Peter, bitte wach auf, ich bin schon wieder zu spät“,rief sie und rüttelte an dem schlafenden Mann.„Spinnst du? Es ist gerade mal acht“, zischte er sie an und schlug mit der Hand nach ihr.„Schließ die Kette auf, ich müsste bereits seit zwanzig Minuten in der Schule sein“, befahl sie ihm ärgerlich und wich ihm aus, als er erneut nach ihr schlug. Endlich setzte er sich auf und sah sie giftig an.„Über deinen Ton mir gegenüber müssen wir noch mal reden. Mach dich auf eine saftige Strafe am Wochenende gefasst“, knurrte er, dann rollte er sich aus dem Bett und öffnete das Schloss an ihrer Kette.
Ohne ein weiteres Wort streifte Sarah die Fessel ab,schnappte sich ihre Sachen und verschwand im Bad. Sie würde so oder so zu spät kommen und beim Schwimmen durfte sie wegen der Striemen, die Peter ihr letzte Nacht verpasst hatte, auch nicht mitmachen. Während sie unter der Dusche stand, überlegte sie, was sie ihrem Lehrer auftischen sollte.
Cassy sah auf, als die Tür des Pubs aufflog, zusammen mit Wind und Regen wehte Peter O´Sullivan in den Raum, einen langen Regenmantel eng um die magere Figur geschlungen. Mit Mühe drückte er die Tür zu und schüttelte sich anschließend.„Hallo Peter, schön dich zu sehen“, rief sie ihm zu und in ihrem Gesicht erschien ein fröhliches Lächeln.
Er streifte seinen Mantel ab und legte ihn auf die Lehne eines Stuhles zum trocknen, ehe er zur Theke rüber ging. „Dir ebenso einen guten Abend Cassy“, begrüßte er die junge Frau.
Suchend sah er sich um, dann runzelte er irritiert die Stirn.„Ist deine Großmutter nicht da?“, wollte er wissen. Cassy lachte auf, als ob ihre Oma auch nur einen Tag ihren Pub im Stich lassen würde.
Müde schloss Tanja ihre Haustüre auf und sammelte seufzend die Briefe vom Boden auf. Der Postbote ignorierte den neuen Briefkasten immer noch und warf ihre Post durch den kleinen Schlitz an der Tür. Achtlos legte sie die Briefe zusammen mit der alltäglichen Werbung und ihrem Autoschlüssel in der Küche auf den Tisch, dann schaltete sie die Kaffeemaschine ein.
Sie kam gerade von der Schicht in der Fabrik, sah sich resignierend um, nur um festzustellen, dass ihr die Wohnung nicht nur kalt, sondern auch leer vorkam. Seit sie ihren langjährigen Lebensgefährten rausgeworfen hatte,fühlte sie sich hier kaum mehr zuhause. Natürlich weinte sie dem elenden Betrüger keine Träne nach, was unter anderem daran lag, dass sie ihn mit seiner Kollegin im Bett gefunden hatte. Außerdem hatte sie ständig das Gefühl, als ob sie jemand beobachtete. Es war gruselig, vor allem weil sie sich nicht erklären konnte, woher diese Empfindung kam. Endlich war die Saeco aufgeheizt und sie drückte den entsprechenden Knopf für eine Tasse Kaffee. Die Arbeit in der Fabrik gestaltete sich eintönig und lud zum Grübeln ein.
Acht Stunden Fliesen aussortieren beanspruchten das Gehirn kaum. Auch das stellte einen Punkt in ihrem Leben dar, der ihr schon so lange bitteraufstieß.
Aber irgendwie schaffte sie den Absprung nicht, dabei legte ihr Exfreund Matthias ihr noch zusätzliche Steine in den Weg. Solange sie zusammen waren, erzählte er ihr, wie schwer es war einen Job zu finden. Sie solle froh sein, überhaupt eine Beschäftigung zu haben. Natürlich wollte er nicht, dass sie einen Bürojob fand, dann hätte er sich ja kaum mehr mit dem Flittchen treffen können, während sie Spät- oder Nachtschicht schob.
Langsam ging sie mit der Tasse in ihr Wohnzimmer, auch hier fühlte sie die Leere. Die Stille erdrückte sie. Obwohl sie durch das Panoramafenster direkt auf die Stadt sehen konnte und viele Menschen sie um diesen Ausblick beneideten, würde sie sofort aufs Land ziehen. Erschrocken drehte sie sich um, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm, doch es befand sich außer ihr niemand in dem Zimmer.
Fröhlich betrat Sophie den Pub, in dem ihre Freundinnen schon auf sie warteten.„Hey Sophie, schön, dass du es dann auch noch geschafft hast“, rief Eileen ihr zu und grinste breit. Sie teilten sich im Hotel ein Zimmer und Eileenwusste genau, dass Sophie so spät war, weil sie sich im Bad vorgedrängelt hatte. Aber Sophie nahm es sportlich und lachte nur, während sie mit den Schultern zuckte.
Sie setzte sich zu den anderen vier Frauen an den Tisch und bestellte ein Ale. Dann sah sie neugierig auf das neue Gesicht. Neben Eileen saßen Kerstin und Katja, die zusammen mit ihr auf diesen Trip gekommen waren. Es war schon lange ein Traum der Freundinnen einmal Irland zu besuchen.„Das hier ist Ayla. Sie wohnt hier in Athlone. Du hast sie heute im Hotel getroffen“, stellte Eileen die junge Frau vor.
Sophie sah Ayla lächelnd an und wunderte sich ein wenig, denn diese Frau sah so gar nicht irisch aus. Okay es war ein Vorurteil, dass alle Iren rote Haare und Sommersprossen hatten.„Hör zu, Ayla erzählt uns gerade eine wahnsinnig spannende Story“, bemerkte Kerstin und sah Ayla auffordernd an.
Seit Stunden stand Angelique jetzt schon in diesem Pranger. Hände und Hals mit schweren Ketten zusätzlich gefesselt so, dass sie sich kaum bewegen konnte. Ihre Kleider waren schmutzig, weil die Leute sie immer wieder mit Dreck und Steinen bewarfen. Außerdem war sie verschwitzt und ihr Rücken schmerzte unerträglich. Mittlerweile hatte sie aufgehört, die Leute anzuschreien oder nach der Spielleitung zu fordern. So wie es aussah,würde ihr hier keiner helfen.
Dabei hatte der Tag so gut angefangen. Voller Vorfreude war sie zu der großen, gut erhaltenen Burggefahren und meldete sich bei den Spielleitern. Es war ihr erstes großes Live-Rollenspiel und sie freute sich darauf, ein Wochenende in die Rolle der Hexe schlüpfen zu können. Bei den Vorbesprechungen am Telefon waren alle supernett und hilfsbereit gewesen und man hatte ihr gesagt, dass die Rolle der Hexe absolut willkommen sei.
Über den eigentlichen Spielablauf wollte man noch nichts verraten, was den Reiz für Angelique eher erhöhte. Und dann war es alles irgendwie schnell in diese unannehmbare Situation abgeglitten. Das Spiel fing an und innerhalb der ersten Viertelstunde rief jemand, dass sie eine Hexe sei. Die anderen Spieler waren auf sie losgegangen und Angelique war in kürzester Zeit überwältigt worden.
Verärgert sah Lia auf die Uhr, jetzt dauerte diese doofe Schulung schon vier Stunden und in einer Viertelstunde würde ihre Fitnesstrainerin sie wiedermal umsonst erwarten. Torsten, ihr Verlobter, würde ziemlich sauer reagieren, immerhin bezahlte er die Fitness-Stunden. Mühsam unterdrückte Lia ein Seufzen, sie arbeitete seit fast drei Jahren als Kundenberaterin dieser Bank und hatte solche Schulungen bestimmt nicht mehr nötig. Aber ihr Chef hatte darauf bestanden, dass alle Angestellten daran teilnehmen mussten.
Nach einer weiteren langweiligen Stunde, in der Lia aufpassen musste, nicht zu oft zu gähnen, machte die Dozentin endlich Feierabend. Schnell packte sie ihre Sachen zusammen und fuhr nach Hause. Ihrer Trainerin hatte sie schon eine SMS geschrieben, damit diese nicht umsonst auf sie warten würde. Torsten erwartete sie bereits und sah sie abwartend an. „Was?“, fragte Lia statt einer Begrüßung.
Sie wusste genau, was kommen würde, aber sie hatte die Nase voll davon, für Dinge verantwortlich gemacht zu werden, für die sie nichts konnte. „Tamara hat mich angerufen und mir Bescheid gesagt, dass du die Stunde schon wieder abgesagt hast. Das ist jetzt das dritte Mal diese Woche“, begann er. Lia nickte genervt. Sie wusste selbst, wie oft sie ihr Training abgesagt hatte. „Ich hab die Stunden bei Tamara für dich gebucht, damit du bald wieder als Model arbeiten kannst und vielleicht auch wieder in meiner Agentur das Top Model wirst. So wie früher.“
Sinja sah mit gerunzelter Stirn über die Steppe von Tenebraes, irgendetwas lag in der Luft, selbst die Yakutas standen still. Ihre Herde Yakutas lief sonst von einer Ecke der Weide zur anderen, um das hellrosafarbene Gras zu fressen. Diese Tiere lieferten ihnen Felle, Leder,Fleisch und Milch und sie waren der größte Wert im Leben eines Nomaden. Wieder blickte sie zum Himmel, der sich langsam azurblau verfärbte, ein Zeichen, dass die Dämmerung einsetzte. Ihre königsblauen Augen suchten den Horizont ab, aber sie konnte nichts erkennen, dennoch lag die Bedrohung spürbar in der Luft.
Das Eisengebirge, welches die Steppe einrahmte, war nur durch einen weißen Dunst zu sehen, trotzdem wusste Sinja, dass man dort die großen Städte fand. Bisher hatten sie die Städte gemieden und ihre Waren in den kleinen Siedlungen eingetauscht oder bei den fahrenden Händlern. Die Menschen in den Städten sahen in den Nomaden eine minderwertige Rasse.
Verwirrt öffnete Kathy die Augen und erschrak, denn außer einem undurchdringlichen Schwarz sah sie nichts. Außerdem konnte sie sich im ersten Moment an nichts erinnern. Nur ihr Kopf schmerzte höllisch.
Als sie die Hand heben wollte, um die schmerzende Stelle zu berühren, stellte sie fest, dass ihre Hände mit etwas zusammengebunden waren, das sich wie Kabelbinder anfühlte. Ebenso hatte man ihre Beine gefesselt. Leise stöhnend ließ sie sich zurücksinken, sie musste in einem Albtraum gefangen sein. Bestimmt würde sie gleich wieder aufwachen, doch auch nach einer gefühlten Ewigkeit passierte nichts dergleichen. Mühsam setzte Kathy sich auf und versuchte erneut irgendetwas zu erkennen, allerdings war es schlichtweg zu dunkel. Außerdem fühlte der Boden sich kalt und feucht an, wobei es modrig roch. Gerne hätte sie sich über die zitternden Arme gerieben, aber die Fesseln hielten sie davon ab.
Langsam kam ihre Erinnerung wieder. Sie hatte gestern oder war es vorgestern gewesen, mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in der Küche gesessen. Jetzt nach dem Abitur und vor dem Studium konnte sie sich diesen Luxus leisten, einfach mal mit den beiden zu reden. Obwohl sie mit ihrem Stiefvater noch nie so wirklich gut zurechtgekommen war.
Gwendolin seufzte leise und sofort sah ihre Kundin sie an. „Haben Sie was gesagt, meine Liebe?“, fragte Frau Berendt und bewegte unwillkürlich die Finger ihrer rechten Hand. Sie hätte aufschreien können, jetzt hatte diese Frau durch ihre Bewegung schon wieder das Stylingverwischt. „Nein, habe ich nicht. Bitte halten Sie die Finger ganz ruhig, sonst bekomme ich das gewünschte Muster nicht auf ihren Nagel, Frau Berendt“, antwortete Gwen mit einem Lächeln, zu dem sie sich regelrecht zwang. Frau Berendt fuhr in ihrem Monolog über den Stress auf den Geschäftsessen und Geschäftspartys ihres Mannes fort, was Gwen langsam in den Wahnsinn trieb.
Wieso geriet sie auch immer an diese Frauen? Klar war es ihr Wunsch gewesen das Nagelstudio zu eröffnen, und endlich auf eigenen Beinen zustehen. Aber so hatte sie sich das irgendwie nicht vorgestellt. Es gab doch bestimmt Wichtigeres als einen abgebrochenen Fingernagel auf der Welt.
Jack betrat gut gelaunt die Dienststelle. Sein schwarzes Sakko hing über seiner Schulter und er grinste Mary, die Bürokraft an. "Na, Mary machst du schon wieder Überstunden, oder bist du meinetwegen noch hier?" Sie schmunzelte. "Nun, bilde dir nur nichts ein. Heute nachmittag war ziemlich was los und so schön bist du auch wieder nicht. Aber ich werde gleich abzischen. Viel Spaß beim Dienst."
Als er zu seinem Schreibtisch ging lächelte er vor sich hin. Im Moment war alles ruhig, denn die Nachtschicht hatte noch nicht begonnen und die „Kunden” vom Tag waren entweder freigelassen worden oder sie saßen bereits in den Zellen.
Der Papierkram stapelte sich auf seinem Schreibtisch,aber er ignorierte ihn und ging zu seinem Chef." Hey Charlie, gibt es was Neues?" Charlie schüttelte den Kopf. "Nein, im Moment ist es ruhig. Sogar die Gangs sind im Winterschlaf. Wir hatten heute lediglich eine Schlägerei und ziemlich viele Betrunkene. Also nichts für dich dabei."
Jack grinste. Nein, Charlie hatte ihn bestimmt nicht in seine Abteilung geholt, damit er Betrunkene zur Räson brachte. Immerhin hatte er eine Spezialausbildung. Nach drei Jahren bei der Drogenfahndung in Chicago, ließ er sich in die Bronx versetzen. Zuerst arbeitete er in einer anderen Dienststelle, dann lernte er Charlie kennen, der ihn in sein Revier holte. "Ich denke, du solltest nachher mal im Rotlichtstreifen nach dem Rechten sehen. Vielleicht braut sich ja dort etwas zusammen“, rief sein Boss ihm zu.
Fröhlich pfeifend ging Dana zu ihrem Auto. Es waren nur noch ein paar Tage, dann hatte sie die Schule endlich hinter sich. Heute hatte sie die letzte Abiturarbeit geschrieben und sie hatte ein wirklich gutes Gefühl.
Bevor sie einstieg, löste sie ihr lackschwarzes Haar und schüttelte den Kopf, damit die Haare aufgelockert würden. Heute wollten ihre Eltern ihr einen Geschäftspartner und seinen Sohn vorstellen. Dana lachte leise. Das würde ein toller Mann sein und bestimmt würden ihre Eltern erwarten, dass sie sich mit ihm abgab. Sie packte die Schultasche auf den Rücksitz ihres kleinen Golfs und dann fuhr sie los. Es dauerte nicht lange, da sah sie schon ihr Elternhaus und den Jaguar, der vor der Eingangstür stand. Der Besuch war also schon da. Sie parkte ihr Auto und angelte die Tasche vom Rücksitz,dann warf sie die Haare mit einer kleinen Kopfbewegung über die Schultern und ging ins Haus. Im Flur wurde sie von dem Dienstmädchen begrüßt."
Hallo, gut, dass sie kommen. Ihre Eltern erwarten sie schon ungeduldig," flüsterte sie und nahm ihr den Mantel und die Tasche ab." Danke, Becca. Aber leider konnte ich die Deutsch-Arbeit nicht schneller schreiben. Immerhin ging es um mein Abitur", grinste Dana. Becca grinste zurück,beide verstanden sich sehr gut und beide wussten, welch antiquierten Ansichten Danas Eltern hatten.
Svenja saß vor dem Kamin in ihrem Zimmer und sah auf das Bild in ihrer Hand. Wie lange war es her, seit sie dieses Bild von ihm gemacht hatte? Damals auf einem Hof in Deutschland? Sie rechnete nach und kam auf 68Jahre. Und er war jetzt schon zehn Jahre tot. Kein Tag verging, an dem Svenja nicht an ihn dachte, ihre große Liebe, Geiry. Es klopfte und ein blonder Wuschelkopf kam durch die Tür.
„Amma, was tust du nur hier drinnen bei dem schönen Wetter?“, fragte das Mädchen, welches Svenja an ihre eigene Jugend erinnerte.„Ich hab ein wenig nachgedacht und mich ausgeruht, elskan“, antwortete Svenja lächelnd. Das junge Mädchen kam näher und spähte auf das Bild in den Händen ihrer Oma. Dann nickte sie verstehend. Sie setzte sich zu Svenjas Füßen einfach auf den Boden und sah sie einen Moment an. „Sag mal wie war das eigentlich damals mit dir und Afi in Deutschland?“
Svenja lächelte, daran konnte sie sich noch erinnern als wäre es gestern gewesen. „Willst du nicht lieber ausreiten, Jördis?“ Svenja strich ihrer Enkelin über den Kopf.
„Nein, ich möchte es jetzt wissen, erzählst du es mir?“, fragte sie.
Die Maschine landete pünktlich um vierzehn Uhr auf dem Flughafen Charles de Gaulle in Paris. Viktoria stieg mit einem Gefühl aus, das sie selbst kaum beschreiben konnte. So lange hatte sie darauf gewartet, die Stadt der Liebe endlich kennenzulernen, und nun lagen drei tolle Wochen vor ihr.
Der Abschied zu Hause war dagegen weniger schön gewesen: Ihr Ex-Freund hatte ihr eine schreckliche Szene gemacht. Dabei drohte er ihr, dass sie es bereuen würde, diese Reise überhaupt angetreten zu haben. Doch jetzt verbot sie sich, weiterhin daran zu denken. Kurz sah sie sich um, ehe sie das Schild mit der Aufschrift „Metro“ entdeckte. Hier in Paris war die U-Bahn das einfachste Mittel, um dorthin zu kommen, wo man hinwollte.
Gott sei Dank hatte sie ein „Paris Visite“-Ticket, mit dem sie bis nach Versailles fahren konnte. Außerdem durfte sie den Bus und die Seilbahn vom Montmartre mit der Fahrkarte benutzen. Mit der Metro fuhr sie in die Nähe ihres Hotels, schleppte ihren Rollkoffer das kurze Stück, allerdings ging es ziemlich bergauf, sodass sie außer Atem war, als sie die Tür aufdrückte, ehe sie dem Portier zulächelte. „Bonjour, ich bin ein wenig spät“, brachte sie zwischen zwei schweren Atemzügen hervor.
Der junge Mann lächelte zurück, eilte um den Tresen herum, um ihr mit dem Gepäck zu helfen. „Ihnen auch einen guten Tag. Ich nehme an, dass Sie ein Zimmer reserviert haben?“, wollte er auf Deutsch wissen.
Schnell nickte Vicky, dabei unterdrückte sie ein erleichtertes Seufzen, denn ihr Französisch war ziemlich eingerostet. „Ja, ich habe gebucht. Viktoria König.“ Der Portier blätterte in einem großen Buch, dann nahm er einen Schlüssel, schnappte sich ihren Koffer und deutete auf eine Tür. „Darf ich Ihnen das Zimmer zeigen?“
Erfreut über den Service stimmte sie zu. Kurz darauf stand sie in einem rustikalen, sauberen Einzelzimmer, wo sie ihre Sachen auspackte. Für den ersten Tag hatte sie sich vorgenommen, ein wenig durch das Palais Royal zu spazieren, denn dort gab es einen wundervollen Park.
Tränen überströmt raste Tamara mit einem dunklen Nissan Pick-up durch die Dunkelheit. Ihr Hund lag auf dem Rücksitz, ihre Klamotten flogen kreuz und querdurch den Kofferraum. Tamara selbst sah völlig heruntergekommen aus. Seit gut drei Tagen hatte sie kaum etwas Vernünftiges gegessen, außerdem war sie todmüde,klatschnass und sehnte sich nach einer Dusche.
Sie zitterte vor Kälte und wusste nicht, wohin sie sollte. Während der vergangenen Tage war sie unterwegs, lebte auf der Straße, da sie versuchte so weit wegzukommen, wie es irgendwie ging. Vor dem letzten Pub hatte sie lange im Regen gestanden, ehe sie beschloss doch lieber weiterzufahren,aber jetzt konnte sie einfach nicht mehr.
Endlich kam ein Food Lodge in Sicht. Sie setzte den Blinker und parkte kurz darauf vor einem schmuddeligen Imbiss. „Ben, pass auf. Ich bin gleich wieder da.“ Sie stieg aus und lief die paar Schritte auf das heruntergekommene Gebäude zu. Der Laden war gerammelt voll, sodass sie sich bis zur Theke durchdrängeln musste. „Einen Kaffee bitte.“ Sie benötigte dringend etwas, das sie wach hielt und aufwärmte.
Anschließend wollte sie weiter. Der Mann hinter dem Tresen musterte sie, stellte ihr eine Tasse hin,kassierte und wandte sich dann dem nächsten Kunden zu, was Tammy nur recht war. Neugierige Fragen brauchte sie gewiss nicht. Gerade als sie sich zur Tür drehte, um den Laden zu verlassen, quatschte sie ein schmieriger Typ an.„Hey Süße, wie wär´s mit nem Drink?“
Ehe sie sich wehren konnte, zog der Kerl sie mit sich, umklammerte ihren Oberarm wie ein Schraubstock. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf,stemmte sich gegen ihn, aber er schien das keinesfalls zu stören.„Lass mich los“, schrie sie ihn an. Der Mann lachte nur, dabei entblößte er seine verfaulten Zähne. „Zier dich nicht so Kleine. So wie du aussiehst, suchst du einen Beschützer.“
Verstört sah Melanie sich um. Sie war in ihrer Wohnung, obwohl das Loch diesen Namen nicht verdiente. Angestrengt überlegte sie, was sie aus dem Schlaf gerissen hatte. In dem Moment klingelte das Telefon und sie wusste, dass es genau das Geräusch gewesen war. Ohne das Licht anzuschalten,ging sie rüber ins Nebenzimmer, um den Hörer abzuheben.
„Ja, was ist?“, erkundigte sie sich ärgerlich. „Hey Babe, ich habe dich doch nicht aus dem Bett geholt, oder?“, meldete sich eine Stimme, die aufgesetzt fröhlich klang. „Und wenn schon. Würde es was ändern, Martin?“, fragte Melanie gelangweilt zurück. „Warum bist du nur so biestig, Mel? Ich will nur ein bisschen mit dir flirten.“ Es entstand eine kurze Pause. Gerade als sie nach dem Grund des Anrufes fragen wollte, fuhr ihr Gesprächspartner fort. „Ich habe einen Auftrag für dich, Babe. Nur dieses Mal sorge dafür, dass du ihn nicht wieder vermasselst.“
Seine Stimme hatte sich total verändert. Jetzt klang sie hart und unnachgiebig. Melanie wusste sofort,dass die Plänkelei am Anfang nur Theater war. „Du weißt, dass ich nicht länger für dich arbeite“, gab sie wütend zurück. „Dir sollte bewusst sein, dass du morgen keinen einzigen Kunden mehr hast, wenn du den Botengang für mich ablehnst“, warnte Bauer sie gehässig.
Die kleine Zicke war ihm ein Dorn im Auge. Er hatte sie vor einigen Jahren in einer Kneipe in der Nähe der Reeperbahn kennengelernt.
Schon damals hatte sie ihn gereizt, wo sie nur konnte. Trotz Drohungen von ihrem Chef hatte sie sich geweigert, ein bisschen was von sich zu zeigen. Als Martin eine Affäre mit ihr beginnen wollte, hatte sie ihm dreckig ins Gesicht gelacht. Seit diesem Tag verfolgte er sie mit seinem Hass.
Nachdem sie etwas gespart hatte, mietete sie sich eine armselige Wohnung in der Hafenstraße, wo sie einen Lieferservice eröffnete. Natürlich hatte Bauer sie von Anfang an gezwungen, für ihn zuarbeiten. Immerhin kannte ihn jeder in der Stadt, obwohl seine genaue Funktion niemand so richtig benennen konnte. Melanie hatte sich erst damit abgefunden, allerdings erklärte sie ihm nach einem besonders unangenehmen Auftrag, dass sie in Zukunft keinesfalls weitere Botengänge für ihn übernehmen würde.
Nur heute gab es offensichtlich keinen Ausweg, sie musste seinen Forderungen nachkommen. „Wir waren uns doch einig, dass die letzte Lieferung dich ausreichend für alles entschädigt. Was wird das für ein Spiel, Martin?“, fragte Melanie, die versuchte ihre Unsicherheit, aber auch ihren knurrenden Magen zu vertuschen. Ihr Lieferdienst lief in den vergangenen Wochen mehr als schlecht und die übrigen Einnahmen gingen für die Miete drauf. Ihr war absolut klar, dass sie den Job nicht ablehnen durfte, obwohl sie wusste,dass es sie in Teufelsküche bringen konnte, falls man sie erwischte.
Ihr Make-up war verschmiert, weil ihr die Tränen über die Wangen liefen, außerdem schlug ihr der Regen ins Gesicht. Kiara wollte nur noch weg! Weg von der Gesellschaft, die so gleichgültig war, weg von dem Mann, der keinen Funken Gefühl besaß, und weg aus diesem Leben.
Immer wieder stolperte sie über den unebenen Weg. Sie war müde. Unendlich müde. Einmal fiel sie,dabei schürfte sie sich Knie sowie Hände auf, aber sie merkte es nicht wirklich. Endlich kam sie an der alten Eisenbrücke an. Ihr Ziel für heute Nacht, vielleicht sogar ihre Endstation. Schniefend zog sie die Nase hoch, stellte sich an das Geländer, um herunterzusehen. Weit unter ihr bemerkte sie die Eisenbahnschienen. Alles lag verlassen da, genau so, wie sie es erwartet hatte. Auf keinen Fall wollte sie jemanden gefährden. Im Grunde konnte keiner etwas für ihre Situation.
Mit einem tiefen Atemzug beugte sie sich weiter über das Geländer. Der Wind wurde stärker, es kam einem Sturm gleich, so als ob er versuchte, sie von ihrem Vorhaben abzuhalten. Angst kroch ihr über den Rücken. Irgendetwas hielt sie zurück, diesen letzten Schritt zu wagen. Jetzt war sie auch noch zu feige, ihrem Elend ein Ende zu setzen. Erneut schluchzte sie, drehte sich herum und ließ sich am Brückengeländer entlang zu Bodenrutschen. Sie umschlang mit den Armen ihre Knie, legte den Kopf darauf und heulte wie ein kleines Kind.
Regen prasselte auf sie nieder, ihr tat alles weh, aber am meisten schmerzte ihr Herz. Sie war an dem Abend mit ihrem Herrn zur Neueröffnung eines SM-Klubs gegangen. Etwas, das sie schon länger geplant hatten. Nur hätte sie niemals damit gerechnet, dass ihr Begleiter dermaßen gefühllos vorgehen würde. Warum er gemein auf ihren Hoffnungen herumgetrampelt war, konnte sie nicht sagen, allerdings übertrat er dieses Mal eine Grenze, was sie völlig aus der Bahn warf.
Zuerst ließ er sie stundenlang knien. Das kannte sie von ihren Sessions in seiner Wohnung. Kiara war immer bewusst gewesen, dass es sich bei ihnen kaum um Liebe handelte, sondern um das Ausleben ihrer Neigungen. Bisher war sie auch manchmal auf ihre Kosten gekommen, sodass sie die Gedanken an die fehlenden Gefühle zur Seite geschoben hatte. An diesem Abend ertrug sie es einfach nicht länger.
Ständig bemerkte sie zufriedene Paare, denen man ansah, wie glücklich sie sich fühlten. Im Gegensatz zu ihrem Herrn, Jens, der deutlich zeigte, dass er keinen Wert auf sie legte. Während sie demütig vor ihm kniete, flirtete er mit zwei anderen Frauen, deutete sogar an, dass er bereit wäre, etwas Festes einzugehen. Die Worte stachen ihr direkt ins Herz, denn immer wieder keimte die Hoffnung auf, dass da mehr zwischen ihnen war.
Lachend winkte Diana ihrer Freundin zu, die schon auf dem Parkplatz der Eishalle auf sie wartete. „Hey schön dich zu sehen“, begrüßte Diana Josie mit einer Umarmung. Josie umarmte Diana auch, dann gingen sie zusammen zum Eingang. „Sag mal vermisst du es nicht manchmal“, wollte Josiewissen, als sie die Kasse hinter sich gebracht hatten. Diana sah sie fragend an. „Na das Eiskunstlaufen“, gab Josie ihr den Anstoß. Diana lachte auf, dann überlegte sie einen Moment.
Bis vor drei Jahren hatte sie ihren Lebensunterhalt mit dem Eiskunstlaufen verdient. Sie war gut gewesen, sehr gut sogar, doch dann hatte ihr Partner eine andere besser gefunden. Diana konnte heute über die Zeit lächeln. Sie waren beide viel zu jung gewesen und es hatte einfach so kommen müssen. Trotzdem konnte sie nicht weiter mit ihm trainieren, geschweige denn auftreten. „Ja, ab und zu fehlt es mir, aber ich denke, es hätte mich schlimmer treffen können“, gab sie lächelnd zu.
Mittlerweile hatte sie ein kleines Sportgeschäft, mit dem sie ausgelastet war und von dem sie genauso gut leben konnte. Josie ließ das Thema fallen und konzentrierte sich darauf ihre Schlittschuhe zu schnüren. Diana tat es ihr nach und kurz darauf waren sie beide auf der Eisfläche. Auch wenn Diana nicht mehr aktiv trainierte, liebte sie es immer noch, auf dem Eis zu sein. Leider hatte sie bei Weitem nicht mehr so viel Zeit.
Sky saß, wie jeden Abend, noch an ihrem Schreibtisch und arbeitete. Der Sicherheitsdienst hatte gerade seine Runde gemacht, als die Bürotür aufflog und sofort wieder geschlossen wurde. Irritiert sah sie den großen, blonden Mann an. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen”, fragte sie und konnte ein leichtes Zittern in ihrer Stimme nicht unterdrücken.
Dann musterte sie ihn. Unter anderen Umständen hätte sie mit ihm geflirtet. Er lächelte und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür, damit keiner plötzlich hereinkommen konnte. „Ja, kannst du, ich brauche den Code für den Safe und du weißt ihn”, sagte er. Seine Stimme ließ ihr eine Gänsehaut über den Rücken laufen, aber nicht nur vor Angst. Sie stand auf und bemerkte, dass sie trotzdem den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm in die Augen zu sehen. „Ich glaube, du spinnst”, sagte sie ruhig.
Für Situationen wie diese war sie ausgebildet worden und die Safekombination würde sie niemals herausgeben. Er grinste immer noch, dann drehte er den Schlüssel herum, der im Schloss steckte und sie fluchte innerlich. Wie hatte sie den Schlüssel vergessen können? Langsam ließ er ihn in seine Tasche gleiten, musterte die Frau, die da vor ihm stand und ihm kalt in die Augen sah. Was er sah, gefiel ihm und er freute sich fast auf die Aufgabe, die vor ihm lag. Langsam ging er auf sie zu, wie erwartet wich sie keinen Zentimeter zurück.
„Lass es einfach gut sein. Ich werde dir nichts sagen, und wenn ich schreie, ist in einem Bruchteil einer Sekunde der Sicherheitsdienst hier”, sagte sie und sah ihn fast schon freundlich an. Doch er ging einfach weiter. „Du wirst es mir sagen, Kleines, glaub mir”, antwortete er sanft und in diesem Moment wurde sie unsicher. Er war bei ihr, packte sie mit einer Hand am Hals, während er mit der anderen ihre Hände ergriff, als sie versuchte, ihn zu schubsen. So drückte er sie gegen die Wand hinter ihr, aber er tat ihr dabei nicht weh. „Mach es uns beiden nicht so schwer und sag mir den Code”, flüsterte er ihr zu, dabei war sein Gesicht verdammt nah an ihrem.
Sie unterdrückte diese seltsamen Gedanken, die ihr kamen, als sie in seine Augen, sah und lachte höhnisch auf. „Niemals.” Er schüttelte langsam den Kopf und drückte ihr ganz leicht die Luft ab. Sie versuchte zu schlucken, schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln. Er würde sie nicht umbringen, jetzt noch nicht, denn dann würde er ja nie an das Codewort herankommen. Er ließ ihr wieder etwas Luft zum Atmen, sodass sie gierig nach Luft schnappte. „So wirst du es nie bekommen, eher bringst du mich damit um”, brachte sie hervor
Patrizia sah konzentriert auf ihren Bildschirm, während ihr Chef sie schon die ganze Zeit beobachtete. Seit sie ihm eine Abfuhr erteilt hatte, war das gute Betriebsklima vorbei. Pat war nervös und hätte am liebsten den Raum verlassen, aber sie wollte dem Mann keine Möglichkeit geben, sie zu rügen. Ihr Telefon klingelte. "Martens?"
"Hi Pat, hier ist Steffi. Du weißt doch, die Kollegin von Monique“, meldete sich eine junge Stimme. Sie wurde unruhig. Monique wusste, welche Probleme sie im Moment hatte. Es musste also sehr wichtig sein.
"Ja, was ist?", fragte sie schroffer als beabsichtigt. "Ich soll dir Bescheid sagen, dass Monique im Krankenhaus ist. Besser gesagt in der Klapse sitzt. Sie hat einen Selbstmordversuch gestartet." Pat wurde weiß und schluckte. Schnell schielte sie zu ihrem Chef rüber, aber der starrte ausnahmsweise auf seinen Monitor. "Wie schlimm ist es?", brachte sie tonlos hervor.
"Sie lebt, doch sie wird bestimmt noch eine Weile in der Geschlossenen sitzen“, antwortete Steffi. Betroffen bedankte Pat sich, ehe sie auflegte." Sie wissen, dass Privatgespräche am Arbeitsplatz nicht erlaubt sind, oder?", erkundigte sich ihr Chefhämisch." Ja, aber nur wenn ich auf Firmenkosten telefoniere. Eben bin ich angerufen worden. Außerdem arbeite ich die drei Minuten länger“, gab sie bissig zurück. Von diesem Mistkerl würde sie sich jetzt nicht einschüchtern lassen. Einen Augenblick dachte sie nach, dann sah sie auf ihren Boss."
Die CNCs sollten mal wieder sauber gemacht werden. Ich könnte die Mittagspause verlängern und dafür heute Abend nach den Geräten sehen“, schlug sie vor. Der Mann am anderen Schreibtisch sah sie nachdenklich an." Hat das etwas mit dem Anruf zu tun?", wollte er wissen.
Am liebsten hätte sie die Antwort verweigert, zumal es ihn absolut nichts anging. "Ja auch. Wenn es Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es einfach." Jetzt war sie richtig wütend. "Nein es passt mir sehr gut. Ich denke, zwei Stunden reichen, um die Kisten zu säubern."
"Okay, dann gehe ich in die Pause. Ich bin gegen 15.00 Uhr wieder hier." Ihr Chef nickte, doch er würdigte sie keines Blickes mehr. Aber Pat wusste, dass er unter irgendeinem Vorwand heute Abend da sein würde. Schnell schob sie die Gedanken daran zur Seite und ging zu ihrem Auto.
Elise Gräfin von Liesingen lief unruhig in ihrem Gemach auf und ab. So etwas war ihr noch nie passiert. Da wagte es dieser ungehobelte Bauer, sie doch abzuweisen. Elise kochte vor Wut. Sie hatte schon seit einiger Zeit den Falkner auf der Fraudburg im Visier. Keiner außer ihrem Vater hatte irgendwelche Informationen über diesen Mann. Er kam als junger Bursche in den Dienst ihres Vaters, gerade als sie selbst noch ein Kind war. Doch ihr Vater hatte ihn unter seinen Schutz gestellt und niemand wagte zu fragen und so nahm Christian von Liesingen das Geheimnis um den jungen Falkner mit in sein Grab.
Jetzt war Elise die Herrin über die Fraudburg und gestern hatte sie beschlossen, dem Falkner auf den Zahn zu fühlen. Sie war also herüber zur Falknerei gelaufen und hatte gewartet, bis alle den Raum verlassen hatten und nur Merlin übrig war. Leise war sie eingetreten und hatte ihn mit ihren grünen Augen abwartend angesehen. Doch Merlin reagierte nie so, wie andere Bediensteten.
Er war einfach zu seinen Vögeln getreten und hatte sich weiter um sie gekümmert.„Falkner, komm her“, hatte Elise herrisch gerufen und ihr Kinn nach oben gestreckt, so dass der Schleier ihrer Haube bis zu ihren Hüften fiel. Unter diesem Schleier verbarg sie langes, glänzendes und in der Sonne golden schimmerndes Haar. Merlin drehte sich um und sah die Gräfin abschätzend an. Erfuhr sich mit der Hand durch sein schwarzes Haar und seine Augen funkelten unheimlich. Merlin trat einen Schritt näher und setzte seinen Falken auf einer Stange ab.
Stefanie erwachte von ihrem eigenen Schrei und hörte sofort die Stimme ihrer Tante. Sie schlug die Augen auf und sah ihre Tante Svana an. „Habe ich dich geweckt”,fragte sie leise. Svana nickte und strich ihr über die Stirn. „Du hast wieder diesen Alptraum gehabt, Liebes oder?”
Stefanie nickte und richtete sich auf. Sie zitterte, denn ihr ganzer Körper war schweißgebadet. Verstohlen sah sie auf die Uhr und atmete heimlich auf. Es würde gleich sowie so Zeit zum Aufstehen sein. So brauchte sie keine Angst zu haben, dass sie wieder einschlief und diesen schrecklichen Traum noch einmal erleben musste.„Geh ins Bett, ich komme schon klar”, sagte sie mit einem liebevollen Blick auf ihre Tante. Svana sah sie noch mal nachdenklich an. „Vielleicht solltest du doch noch mal mit deinem Therapeuten reden?”, schlug sie leise vor.
Doch Stefanie schüttelte sofort den Kopf. „Nein, er hat mir damals nicht helfen können, und wird es auch jetzt nicht. Und du weißt, dass ich diesen Traum schon lange nicht mehr hatte. Es war bestimmt nur eine einmalige Sache.” Sie würde auf keinen Fall zu diesem Idioten gehen und ihm immer wieder diese Nacht beschreiben. Sie schüttelte sich, wenn sie nur daran dachte, den Mann wiederzusehen.
„Kommst du bitte mal ins Büro?“, rief Peter Sabrina zu. Sabrina sah von ihrer Arbeit am Fließband auf und nickte. Dann ging sie schnell zu ihrem Chef ins Büro. Erwartungsvoll sah sie ihn an. Im Moment wusste sie nicht, was er von ihr wollen könnte.„Es tut mir wirklich leid, aber wie du weißt, bist du noch in der Probezeit und du bist die Letzte, die ins Team gekommen ist“, Peter stotterte vor Verlegenheit und vermied es, Sabrina anzusehen. „Was willst du mir denn eigentlich sagen?“, fragte Sabrina verwirrt und strich sich das lange, blonde Haar aus der Stirn.
„Du bist entlassen. Ich soll dir den restlichen Lohn von heute geben. Die Arbeit reicht einfach nicht mehr für alle aus“, brachte Peter hervor. Sabrina sah ihn fassungslos an. Sie hatte solange um diesen Job gekämpft und jetzt sollte alles schon nach zwei kurzen Tagen zu Ende sein? Peter drückte ihr einen Umschlag mit dem restlichen Lohn in die Hand. Erst jetzt schaffte er es, ihr in die Augen zu sehen. „Tut mir echt leid, Kleine“, sagte er.
Sabrina nickte und versuchte die Tränen zu unterdrücken, dann drehte sie sich um und rannte fast schon aus dem Raum. Erst als sie auf der Straße stand, ließ sie ihren Tränenfreien Lauf. Jetzt wollte sie nur noch nach Hause zu ihrem Freund Martin. Bestimmt würde er ihr helfen und sie auch trösten können. Sabrina ging zur Bushaltestelle und sah sich den Fahrplan an. Der nächste Bus kam erst in einer guten halben Stunde. Heute ging aber auch alles schief.
Charlotte lehnte den Kopf gegen die Scheibe des Wagons. Sie fühlte sich unendlich müde, nicht weil sie zu wenig geschlafen hatte, sondern weil das Leben sie erschöpfte. Ausgebrannt, mutlos, das passte besser. Seufzend suchte sie auf ihrer Playlist, die auf ihrem Handy gespeichert war, einen Song, der ihre Stimmung aufheiterte. Sie musste schnellstens aus diesem Tief herauskommen, sonst würde sie ihren Job verlieren.
Fast hätte sie spöttisch aufgelacht, es war nur eine Frage der Zeit, wann der Direktor ihr die Kündigung auf den Tisch legte.
Aktuell war sie auf dem Weg in das drittklassige Varieté am Rande von Paris, wo sie als Tänzerin und Sängerin ein Engagement hatte. Es war ein Wunder, dass sie mit Mitte vierzig überhaupt noch dort auftreten durfte. Wahrscheinlich lag es daran, dass die Gäste sich weniger für die Aufführungen interessierten, sondern extrem dem Alkohol zusprachen, darüber hinaus besserten viele ihrer jüngeren Kolleginnen ihr Gehalt auf eine gewisse Weise auf.
Für sie war das nichts, bisher hatte sie es vermeiden können, ihren Körper zu verkaufen, das sollte bitte schön auch so bleiben.
Eine Frau, ein Musiker und die Magie der schottischen Highlands
Abby kann es kaum erwarten, ihre Lieblingsband, die Highland Werewolfs, zu sehen. Dass sie dem Musiker Cameron viel näher kommt, als ihn nur aus dem Publikum anzuhimmeln, hätte sie allerdings nie erwartet. Doch will ein so berühmter Mann tatsächlich ein Mauerblümchen wie sie? Oder war sie nur eine leichte Beute für ihn?
Cameron ist fasziniert, als er während eines Konzerts in Edinburgh auf seine Seelengefährtin stößt. Sofort ergreift er die Gelegenheit beim Schopf, aber am nächsten Morgen ist sie weg, dabei weiß sie noch nichts von seinen dominant-sadistischen Neigungen. Zu allem Überfluss besteht die Möglichkeit, dass sie von ihm schwanger ist. Jetzt bleibt ihm nur eins übrig, er muss die Wächter der magischen Welt um Hilfe bitten, denn er ist ein Werwolf.
Eine Geschichte, die den Leser tief in das Herz der schottischen Highlands führt und zeigt, dass es nicht auf Figur oder Aussehen ankommt. Der Roman ist in sich abgeschlossen.
Bailey sah ihren Freund fassungslos an. „Du hast schon wieder einen Besuch in einer Destille gebucht?“ Vor Ärger färbten sich ihre Wangen rot.
„Baby, das ist meine Chance, die wundervollen Whiskys der Highlands zu probieren. Dieses Mal fahren wir durch die Natur, sodass du auch etwas davon hast. Du wolltest doch die Umgebung sehen, richtig?“ Lenny sah sie mit einem Zwinkern an, gleichzeitig griff er nach ihr, um sie an sich ziehen.
Geschickt wich sie ihm aus. „Wir sind bereits drei Jahren zusammen und du weißt immer noch nicht, was mir wichtig ist? Das ist ungeheuerlich.“ Sie stemmte die Arme in die Seiten. „Wir hatten abgemacht, dass wir die Zeit gerecht aufteilen, wandern gehen, Sehenswürdigkeiten ansehen und natürlich verschiedene Destillen besichtigen.“
„Baby, Glenfiddich ist eine Sehenswürdigkeit, eine die ich auf keinen Fall auslassen darf. Glaub mir, dieses Mal hast auch du deinen Spaß. Außerdem können wir uns Balvenie Castle anschauen. Dort war bestimmt der englische König oder so jemand zu Besuch.“
Bailey verdrehte die Augen. „Du hast so wenig Ahnung von der Geschichte der Highlands, wirklich. Das Schloss wurde offiziell an den Earl of Buchanan überschrieben, später gehörte es Robert the Bruce. Hier war Maria Stuart zu Gast.“ Natürlich hatte sie sich über so viele Details wie möglich informiert, da Schottland ihr absolutes Lieblingsland war.
Bea setzte sich seufzend auf ihr Bett, in ihrem Zimmer herrschte ein heilloses Durcheinander, da sie gerade dabei war, für ihren Umzug nach Glasgow zu packen. Im Grunde hasste sie die Stadt, aber sie hatte sich vorgenommen, den Master in Kriminologie und Strafrechtspflege zu machen. Sie wollte die Kriminellen nicht nur aus dem Verkehr ziehen, sondern auch verstehen, was sie antrieb.
Leider war sie ihrem Ziel, einen Ausbildungsplatz bei den Wächtern in Ballygannon zu bekommen, bisher keinen Schritt näher gekommen.
Ärgerlich schüttelte sie den Kopf, denn das war ein Thema, das sie unglaublich aufregte. Mit ihren einhundertfünf Jahren war sie alt genug, trotzdem vertröstete David sie jedes Mal. Angeblich hatten sie gerade keinen Bedarf.
Die Wächter konnte man mit der Polizei bei den Menschen vergleichen, sie rückten aus, sobald ein magisches Wesen die Gesetzte brach. Die Paranormalen lebten unerkannt zwischen den Normalen, nur besaßen sie ihre eigene Rechtsprechung, genau wie eine eigene Regierung. Das wichtigste Gesetz war dabei die Geheimhaltung.
Nicht auszudenken, was passierte, sollte es bekannt werden, dass Werwölfe, Vampire und Ghule tatsächlich existierten. Von einer Massenpanik über eine große Verfolgungsjagd bis zum Einsperren in menschlichen Laboren war alles denkbar.
Bea schüttelte die bedrückenden Gedanken energisch von sich, bisher gab es keinen Grund zur Besorgnis, zumal es auch Normale gab, die sie unterstützten. Die sogenannten Vertrauten wussten über die magische Welt Bescheid, bei den Leuten handelte es sich meistens um Personen, die einem Paranormalen das Leben gerettet oder sich anderweitig als vertrauenswürdig gezeigt hatten. Außerdem gab es die Möglichkeit für Gefährten einen Eid zu schwören.
Unwillig sah sie sich im Zimmer um, dabei stellte sie fest, dass sie keine Ahnung hatte, was sie einpacken sollte. Ihre Überlegungen drifteten ständig in eine andere Richtung, dazu kam diese unendlich nervende Unruhe.
Gerüchte besagten, dass die spezielle Nervosität ihren Seelengefährten ankündigte, aber für den hatte sie aktuell gar keine Zeit!
Es klopfte und ihre Mutter steckte den Kopf zur Tür herein. „Magst du nicht eine Pause machen? Ich habe Scones gebacken.“ Sie lächelte ihrer Tochter zu.
Sofort sprang Bea auf, alles war besser, als hier im Raum zu sitzen und langsam verrückt zu werden. Wahrscheinlich tat ihr eine kleine Auszeit gut, außerdem schmeckten die Scones ihrer Mum köstlich.
Gemeinsam gingen sie in die Küche, wo es bereits himmlisch duftete.
„Nervös?“ Deenah beobachtete sie genau.
Bea zuckte mit den Schultern. „Ja, obwohl ich doch schon einige Unis besucht habe.“ Mit ihren einhundertfünf Jahren war sie zwar kein Welpe mehr, aber als richtig erwachsen, sah man sie auch nicht an. Trotzdem hatte sie die Zeit genutzt, um so viel über Recht zu lernen, wie nur möglich.
Ihre Mutter stellte einen großen Teller mit Scones vor sie hin, reichte ihr die Marmelade, ehe sie die Clotted Cream aus dem Kühlschrank holte. Erst jetzt setzte sie sich zu ihr. „Denkst du nicht, dass es einen anderen Grund gibt?“ Schmunzelnd betrachtete sie ihre Tochter.
Mit einem tiefen Seufzen erwiderte Bea den Blick. „Keine Ahnung, Blake meint auch, dass mein Gefährte auf dem Anmarsch ist.“ Ihn ihrem Gesicht sah man deutlich die Zweifel. „Was, wenn das doch nur ein Gerücht ist? Normalerweise sind die Wölfe viel älter, die sie auf ihre Dualseele treffen. Außerdem kann ich gerade keinen Mann in meinem Leben brauchen.“ Sie musste nicht erwähnen, dass sie weiterhin noch auf eine Stelle bei den Wächtern hoffte, das Thema hatten sie oft genug besprochen.
„Das Universum schickt dir dann deinen Partner, sobald es für dich an der Zeit ist, meine Kleine.“ Ihre Mutter strich ihr zärtlich über die Wange. „Du wirst sehen, dass es immer passt.“
Kauend dachte sie über die Worte nach, schluckte aber mit dem Bissen eine Erwiderung herunter. Es brachte sie kaum weiter, ihr zu widersprechen. Darüber hinaus war sie einfach extrem unsicher. Wie sollte sie sich den Mann vorstellen, der an ihre Seite gehörte? Musste sie so leiden wie ihr Patenonkel Blake? Seine Gefährtin hatte enorme Angst vor ihm gehabt. Oder würde sie so ein unverschämtes Glück wie ihr Clanchief Alan haben? Irgendwie sehnte sie sich nach einem dominanten Partner, gleichzeitig befürchtete sie, dass er ihr die Freiheit nahm.
„Mach dir nicht so viele Sorgen, Beatrice, es wird passen. Das hat es immer.“ Deenah hätte ihr gerne mehr Zuversicht gegeben, nur wusste sie, dass die Zweifel völlig normal waren. Sie selbst hatte lange gebraucht, um ihrem Ehemann Lennox vertrauen zu können. Eilig schob sie die Gedanken zur Seite. Ihre Situation war eine komplett andere gewesen, da sie sich nie ganz in einen Wolf oder einen Menschen verwandeln konnte.
Ihre Familie ließ sie damals in einem Kellerloch hausen, weil sie sich für sie schämte. Aber ihr Gefährte fand sie trotzdem. Ein zärtliches Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Ich hoffe, dass ich so viel Glück habe wie du mit Papa.“ Bea drückte die Hand ihrer Mutter, die zum Teil mit Wolfsfell bedeckt war. Sie erkannte deutlich an ihrer Mimik, dass sie sich an die Vergangenheit erinnerte.
„Davon bin ich überzeugt, du hast einen Mann verdient, der dich glücklich macht.“
So ganz teilte sie diese Meinung nicht, unterdrückte allerdings ihre Bedenken. In ihrem Kopf herrschte Chaos, das sie schleunigst ordnen sollte. Außerdem wartete ihr Zimmer darauf, dass sie endlich ihre Klamotten packte. Sie hatte ihr Jura-Studium in Edinburgh abgeschlossen und jetzt wollte sie die Uni in Glasgow besuchen.
Sie beendete die Pause, um sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren, dabei nahm sie sich fest vor, sich nicht länger ablenken zu lassen. Trotzdem dauerte es noch den gesamten Tag, bis sie wirklich alles eingepackt und die restlichen Sachen wieder weggeräumt hatte.